Bild: Hannah + Jakob
Die Berliner Sängerin Balbina liebt Worte und das Spielen mit Sprache, sie beobachtet akribisch, denkt nach, grübelt. Wir haben ihr „Fragen über Fragen“ gestellt – wie passend, denn genauso so heißt auch ihr neues Album.
Das Interview führte Friederike Schröter.
Balbina, du machst Songs, die anders sind als vieles, was man so im Radio hört. Wie würdest du selbst deine Musik beschreiben?
Ich würde schon sagen, dass ich klassische Popmusik mache – nur eben mit einer besonderen, etwas eigenen Art der Textdichtung. Für meine polnischen Großeltern zum Beispiel, die kein Deutsch verstehen, ist das völlig eingängiger Pop. Der Unterschied zwischen mir und anderen deutschen Musikern sind allein die Wortkombinationen und die Inhalte.
Deine Texte beschreiben meist kleine, auf den ersten Blick unbedeutende Alltagsbegebenheiten und überhöhen diese. Wie entstehen diese Texte?
Ich habe immer etwas zum Schreiben dabei und notiere mir ständig Dinge, die mir im Alltag auffallen. Dabei beobachte ich nicht gezielt die Umgebung, sondern mir fallen diese Dinge zufällig auf, wenn ich zum Beispiel in die Straßenbahn einsteige. Wenn sich all diese Notizen dann stapeln, beginne ich, sie auszuarbeiten. Das ist dann tagelange Fleißarbeit und braucht Disziplin. Am Ende können daraus verschiedene Sachen entstehen.
Ist das eine Art Philosophieren, das du da betreibst?
Das könnte man so sagen: ich betreibe meine eigene Philosophie. Ich habe keine Antworten parat, auf nichts, aber ich gehe beobachtend durch die Welt, bin immer suchend und – im positiven Sinn –mit allem überfordert. Allein der Zeitbegriff macht mich total kirre: Manchmal geht die Zeit so sauschnell vorbei, und dann wieder, wenn ich zum Beispiel beim Zahnarzt sitze, kommen mir fünf Minuten wie eine Ewigkeit vor.
Wann hast du damit begonnen, deine Fragen in Texten zu verarbeiten?
Das hat schon in der Grundschule begonnen, damals habe ich kleine Gedichte und Theaterstücke geschrieben – ohne, dass es jemand bei mir gefördert hätte. Mich hat es immer fasziniert, dass man mit Worten spielen kann und dass sie im Gehirn Bilder und Geschichten hervorrufen können. Das wollte ich können.
Du hast nach dem Abitur dann aber BWL studiert – etwas ganz anderes. War das eine Vernunftentscheidung?
Ich wollte meiner Mutter gerne das Gefühl geben, dass ich mich bemühe, mich selbst finanzieren zu können. Es war auch nicht ganz schlecht, ein paar Semester lang BWL studiert zu haben. Vor allem, um dieses Lernen in Eigeninitiative zu lernen. Das Fach an sich war aber überhaupt nicht mein Ding.
Nach dem Studium hast du dann auch erst mal gearbeitet.
Ja, nach dem Vordiplom habe ich – neben der Musik - bis 2015 als Verkäuferin in einer Modeboutique gearbeitet. Das war für mich aber nur ein Job zum Geldverdienen – meine Hauptbeschäftigung war immer die Musik, die ich dann abends und am Wochenende gemacht habe. Man ist nach 40 Stunden Arbeit zwar müde, aber von der Musik allein kann man eben nur sehr schlecht leben. Jetzt geht es einigermaßen, aber man weiß ja nie, wie lange das funktioniert.
Jetzt kannst du von deiner Musik leben?
Bei den Plattenverkäufen heutzutage – man verkauft ungefähr ein Hundertstel von dem, was man früher verkauft hat - ist es schon sauschwierig, überhaupt ein neues Album finanzieren zu können. Und da rede ich noch nicht davon, von der Musik leben zu können. Ich muss mich von Projekt zu Projekt hangeln und jedes Mal schauen, ob das Budget für Musiker, Studio und die nächste CD-Pressung reicht. Durch Spotify und all diese Streamingdienste verdienen die Musiker ja nichts. Bestes bekanntes Beispiel: Pharrell Williams hat vom Streamingdienst Pandora für 43 Millionen Streams von „Happy“ nicht einmal 3.000 Dollar bekommen! Diese Umsonst-Erwartung in der Kunst ist sehr schädlich. Da hilft es auch nicht, bei einer Plattenfirma unter Vertrag zu stehen... Es ist ein Kampf ums Überleben.
Rund um deine Songs hast du die „Bühnenfigur“ Balbina entwickelt, die ausgefallene, meist steife Kleider trägt, puppenhaft geschminkt ist und in den Musikvideos schräge Dinge tut. Wie ist diese Figur entstanden?
Musikpräsentation hat für mich viel mit dem Theater gemeinsam: Wenn ich vor ein Publikum trete, ob nun persönlich oder mittelbar per Foto auf der CD-Hülle, will ich die Inhalte auch als Figur transportieren. Ich könnte nicht so auftreten, wie ich privat bin: in schwarzen Klamotten und mit Hornbrille. Das würde meinem Projekt, meiner Musik, in die ich viel investiere, nicht gerecht werden und ich würde mich unwohl fühlen. Ich überlege mir immer, wie man die Musik bildlich untermalen kann. Auf dem Cover meiner neuen CD bin ich zum Beispiel sehr hell und zerbrechlich dargestellt, ich wollte das ganz porzellanartig haben, damit es verletzlich und dünnhäutig wirkt. Und dann entwickle ich ein Kostüm, ein Make-up, Frisur, Kulisse – das mache ich alles selbst.
Triffst du manchmal auf Leute, die mit deiner Musik und der Inszenierung drumherum gar nichts anfangen können?
Ja, ich stoße oft auf Unverständnis. Manche Leute lehnen es ab, sich mit meiner Musik auseinanderzusetzen. Damit muss ich rechnen, weil das Schema der Frau in Popindustrie ganz anders aussieht. Sie trägt nicht quergeflochtene Zöpfen, hat weiße Augenbrauen und ein Kostüm, das an koreanische Trachtenkleidung erinnert. Es ist schon eine Herausforderungen, damit klarzukommen, dass alle sagen: Äh, dich nehmen wir nicht mit in die Show rein, weil die Leute verstört sind, wenn sie dich sehen. Wir nehmen lieber die mit Pferdeschwanz und einem normalen T-Shirt. Andererseits war ich schon in der Schule ein Außenseiter und habe mich an diese Rolle gewöhnt. Mich würde es heute eher überraschen, wenn RTL mich in die Chart-Show einladen würde.
Vor zwei Jahren bist du zusammen mit Grönemeyer getourt und hast als sein Vorprogramm gespielt. Wie war das so, als Anheizer eines Großmeister des Deutschpop?
Ein Anheizer war ich eher nicht – dafür mache ich zu ruhige und melancholische Musik. Ich habe den Abend ruhig eingeleitet, bevor Herbert dann drei Stunden durchgepowert hat. Am Anfang der Tour war die Nervosität unerträglich für mich: Ich habe allgemein eine große Bühnennervosität und da bin ich das erste Mal vor 20.000 Menschen aufgetreten – das war einfach krass. Absurderweise gewöhnt man sich aber dran. Ab dem 10. Konzert war es dann irgendwie okay.
Ist diese Tour karrieretechnisch für dich wichtig gewesen?
Natürlich erleben einen auf diese Weise viele Menschen und du wirst bekannter, aber es macht danach nicht Klick und du bist berühmt. Für mich war vor allem die Erfahrung wichtig: Mich körperlich auf die Termine zu fokussieren und die Kräfte einzuteilen. Wir haben oft mehrere Abend hintereinander gespielt und hatten dazwischen nur einen Tag Pause - und das zwei Monate lang. Normalerweise bin ich nach zwei Woche Tour komplett durch, aber in diesen zwei Monaten habe ich gelernt, wie man sich gut einteilt und sich schont.
Welche Rolle spielen für dich Berlin und deine polnische Herkunft?
Berlin war für mich immer der Ort, an dem wir angekommen sind, in einem Land, in dem vieles möglich war, was in Polen nicht möglich war. In den 90er Jahren hat sich mein Heimatland dann auch geöffnet, doch leider entwickelt sich das jetzt alles in rasendem Tempo zurück. Es besorgt mich sehr, dass auch dort Populisten an der Macht sind. Ich liebe Polen genauso wie ich Deutschland liebe und ich mag die Menschen dort, aber die Politik und die Entwicklung der Bürgerrechte machen mir große Sorgen.
Die Berliner Sängern erzählt über ihre Art, Songs zu scheiben, und warum das BWL-Studium nichts für sie war.