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MINT – ein Kürzel macht Karriere

MINT ist in aller Munde, auf allen Kanälen und in unzähligen Initiativen, die Schülern wie Studienanfängern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, kurz MINT, nahebringen wollen. Allerdings bricht fast jeder zweite MINT-Studierende das Studium ab. Mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft: Über 50.000 Absolventen fehlen!

Was tun? Der 2. Nationale MINT Gipfel will ausländische Studierende mobilisieren. Sie sollen durch Informationsportale und Stipendien nach Deutschland geholt und möglichst hier gehalten werden, fordert Professor Axel Plünnecke, Bildungsökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Zudem sollen mehr weibliche Studienanfänger angesprochen werden, auch gerade außerhalb der männerdominierten Auto-, Raumfahrt- und Maschinenbauindustrie und weit weg vom Sonderling-Image („Physik ist nur was für pizzafressende Nerds“). „MINT muss cool werden“, fordert Physikprofessor Henning Kargermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, Acatech.

Ein drittes Reservoir bilden die vielen Studienabbrecher. Die Hochschulen sollten für Einstiegshilfen und Brückenkurse sorgen, fordert Professor Plünnecke. Aber die beste Motivation für ein MINT-Studium sind immer noch die rosigen Berufsperspektiven, meint Uniglobale, hat sich auf Recherche begeben und drei Kandidaten auf unterschiedlichen Karrierestufen gefunden.

Porträt 1

Ein Fach der Zukunft

Leonard Püttjer (21) programmiert als Werkstudent für einen Halbleiterproduzenten

Das fängt ja gut an. Da bewirbt sich ein Informatikstudent für einen Praktikumsplatz bei einem Halbleiterhersteller und kriegt gleich einen Werkvertrag für ein ganzes Jahr angeboten. Die Aufgabe: Ein Programm für funktionelle Mess-, Steuer- und Regelanwendungen soll in eine andere Programmiersprache umgeschrieben werden. Der Arbeitgeber: der Halbleiterproduzent NXP Semiconductors in Hamburg, der unter anderem Chips für Autoradios baut. Diese Chips müssen viele Tests mit unterschiedlichen Temperaturen und Frequenzen überstehen, bevor man sie ausliefert. Für eine automatisierte Datenerfassung und Auswertung der Tests sollte die grafische Programmierumgebung „LabView“ eingesetzt werden. Und genau dafür benötigte das Unternehmen Unterstützung.

Eine super Chance für Leonard Püttjer, der an der TUHH, Technische Universität Hamburg-Harburg, Allgemeine Ingenieurwissenschaften mit dem Schwerpunkt Informatik studiert: „Ich habe im Studium viel über Programmiersprachen gelernt“, sagt der 21-Jährige. „LabView“ war nicht dabei. Kein Problem für Leonard: „Ich habe mich mit Hilfe von Büchern und Kollegen eingearbeitet.“ Und nebenbei noch viel mehr gelernt: Wie ein Unternehmen funktioniere, was das Berufsfeld in der Praxis bedeute, was Teamarbeit ausmache. „Das ist etwas anderes als Studium, man muss ja auch die Erwartungen der Kunden erfüllen“, so der angehende Ingenieur.

Inzwischen wurde sein Werkvertrag um ein zweites Jahr verlängert und auch die Bachelorarbeit könnte Leonard Püttjer bei seinem Arbeitgeber schreiben. Vielleicht zu einem Thema, das in den Bereich der technischen Logistik fällt. Er arbeite gern interdisziplinär, sagt Leonard, verbände gern naturwissenschaftliche Fächer mit dem Alltag und die Informatik mit dem Leben. „Das ist ein Fach der Zukunft“, davon ist er überzeugt.

Porträt 2

DER FAKTOR MENSCH
HINTER DER TECHNIK

Anne-Catrin Ludwig (26) optimiert die Mensch-Maschine-Interaktion im vernetzten Haus von morgen

Egal, wann Anne-Catrin Ludwig Feierabend macht, jeweils kurz vor der Ankunft in ihre Dachgeschosswohnung fahren die Jalousien automatisch nach oben. Wenn sie eintrifft, ist ihr Zuhause nicht nur angenehm temperiert, sondern auch schön hell, Musik empfängt sie und bei Bedarf bereitet der Wasserkocher den Feierabendtee vor.

Die 26-Jährige ist bei der Deutschen Telekom „Expertin für Usability und User Experience im Bereich Smart Home“. Wie bitte? „Ich evaluiere unter anderem das Verhalten von Menschen, die ihr Haus intelligent vernetzen wollen oder dies schon getan haben, werte ihr Feedback aus und sorge so für optimierte Systeme mit mehr Benutzerfreundlichkeit.“

Methoden und Verfahren der Empirie und Psychologie hat Anne-Catrin im Studium gelernt. Aber auch, wie man programmiert und Codes einbettet. „Das ist super wertvoll“, sagt sie. Schließlich hat die junge Frau in ihrer Abteilung überwiegend mit Männern, Informatikern, Elektrotechnikern und Ingenieuren zu tun: Anne-Catrin arbeitet für QIVICON, ein Startup innerhalb der Telekom, das eine herstellerübergreifende Plattform für das intelligente Zuhause bietet.

Ein Arbeitgeber wie gemacht für die Master-Absolventin, die Informatik, Ingenieurwissenschaft und Psychologie in ihrem Studium bündelte: „Ich hatte Mathe und Physik als Leistungskurse und viele haben mir zu einem Physikstudium geraten. Ich aber ich wollte mehr.“ Mehr als MINT. Logik und Technik, erweitert um Geisteswissenschaften, wie es der Bachelorstudiengang „Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft“ an der Universität Duisburg-Essen bot. Nach dem Abschluss packte die Oldenburgerin erneut ihre Koffer und zog für den Masterstudiengang „Human Factors“ nach Berlin.

Das war berufswegentscheidend, denn an der TU kam Anne-Catrin zum Netzwerk Femtec, das Frauen in Natur- und Ingenieurwissenschaften fördert und mit Unternehmen vernetzt. „Über ein Femtec Partnerunternehmen habe ich überhaupt erst erfahren, welches Potenzial der Smart Home Bereich hat.“ Und dass die Telekom mehr als nur Telekommunikation bietet. „Das Smart Home wird kommen“, davon ist die Berufseinsteigerin überzeugt. Vielleicht etwas langsamer als das Smartphone, aber mit vergleichbarer Durchsetzungskraft. Und dann benötigt der Markt ganz viele interdisziplinär und selbstständig arbeitende Hochschulabsolventen wie Anne-Catrin Ludwig.

Porträt 3
DIE FRAU DER NETZE

Kirsten Fust (48) führt über tausend Techniker, überwiegend Männer, im Bereich Energieversorgung

Auf Bildern sieht man Kirsten Fust meist ganz weit oben. Auf einem Kran an der Elbgrenze oder auf der Turbine eine Windkraftanlage. Lachend, schwindelfrei und keineswegs „gephotoshopt“, wie die 48-Jährige versichert. Denn die Geschäftsbereichsleiterin Netzdienste bei E.on Hanse teilt ihr Arbeitsleben in Büro- und Außendiensttage. Für letztere reist sie von Quickborn bis an die dänische oder polnische Grenze, klettert auch mal auf Hochspannungsmasten und sieht sich den Korrosionsschutz von oben an. „In Sicherheitsklamotten“, wie sie betont.

Gäbe es nur die Bürotage im Business Dress, angefüllt mit Telefonkonferenzen, wäre das ein Leben einer Führungskraft im „Besserwisseraquarium“. Fusts Leben ist das nicht: „Nie den Kontakt zur Fläche verlieren“, hat sich die Ingenieurin geschworen. Und sich immer auf dem Stand der Technik zu halten: „Man weiß ja nie, was morgen kommt.“ Auch wenn sich die Grundlagen Elektrotechnik nicht verändert haben, durch die Energiewende hätten Regulierungsthemen von Photovoltaik, Windenergie und Wasserstoff deutlich an Gewicht zugelegt: „Hier muss man sich in regelmäßigen Abständen ein Seminar gönnen“, sagt Kirsten Fust.

Gelernt hat sie einmal Elektroinstallateurin. Und weil die Abiturientin damals einen Meister hatte, der ihr mehr zutraute, hat sie noch ein Elektrotechnik-Studium an der Fachhochschule Kiel absolviert, als eine von vier Frauen im Studiengang „ mit 170 Jungs“. Zugleich eine gute Schule für ihren ersten Job bei den Hamburger Gaswerken, die inzwischen zu E.on Hanse gehören. „Ich habe eine kleine Gruppe von Technikern geführt und gegengehalten, wenn es dumme Sprüche gab. Da bin ich gewachsen.“ In mehrfacher Hinsicht: Heute führt Fust über tausend Mitarbeiter fachlich und 200 direkt.

„Man hat mir das zugetraut und ich habe nicht nein gesagt“, kommentiert die Ingenieurin ihre Karriere, bei der es trotz Schwangerschaft und der Geburt einer Tochter vor 15 Jahren keinen Knick gab: „Mein Mann hat den Erziehungsurlaub genommen und für den Mutterschutz hatte ich meinen Bereich gut organisiert, viel Verantwortung und Vertrauen übertragen.“ Das Thema Frauenförderung liegt Fust auch persönlich am Herzen: Bei E.on Hanse hat sie das Frauennetzwerk „IngE“ initiiert. Aber die Leiterin weiß auch, dass die Energieversorger den Bedarf nicht allein mit Frauen decken können. „Wir brauchen Ingenieure, die offen sind, interdisziplinär und projektorientiert arbeiten.“ Die erwartet dann eine spannendes Betätigungsfeld, das keinesfalls nur technisch ist: „Ich habe den ganzen Tag mit Menschen zu tun!“

KARRIERE TECHNISCH MÖGLICH
FRAUEN IN DER HIGHTECH-BRANCHE ITK

Seit Jahren wird analysiert und gestritten: Wie viele Frauen haben den Aufstieg in Führungspositionen geschafft ? Was sind die Gründe für männlich dominierte Chefetagen? An welchen Punkten müssen Unternehmen ansetzen, um dies zu ändern? Und nicht zuletzt: Brauchen wir politische Vorgaben, um ‚endlich‘ den Durchbruch zu mehr Gender Equality zu schaffen?

Die erfreuliche Nachricht: In den vergangenen zwei Jahren ist der Anteil von Frauen im Top-Management und in den mittleren Führungsebenen deutlich gestiegen, und zwar um jeweils fast 50 %. Im Top-Management beträgt der Frauenanteil in den ITK-Unternehmen jetzt 4 %, im mittleren Management 6,5 %. Dies sind Ergebnisse der aktuellen BITKOM-Arbeitsmarktstudie,
die im Auft rag des ITK-Branchenverbandes einmal pro Jahr von einem Marktforschungsunternehmen durchgeführt wird.

Diese Zahlen zeigen zweierlei: Das Ausgangsniveau ist ausgesprochen niedrig, aber die Maßnahmen, die viele Unternehmen ergriff en haben, um mehr Frauen für Führungspositionen zu gewinnen, zeigen Wirkung. Viele Unternehmen setzen sich für die Zukunft
ambitionierte Ziele. Bis 2020 soll der Frauenanteil je nach Kompetenzlevel auf 15 bzw. 17 % gesteigert werden.

Was tun die Unternehmen, um für Bewerberinnen oder Mitarbeiterinnen attraktiver zu werden? Ein wichtiger Punkt, der natürlich auch Männer betrifft, sind Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Praktisch alle Unternehmen haben entsprechende Maßnahmen ergriff en, darunter Angebote wie das Home Offi ce oder der problemlose Wiedereinstieg nach der Elternzeit.

Der Wirtschaft geht es aber nicht nur um neue Mitarbeiterinnen, also um Young Professionals. Mindestens ebenso wichtig sind Angebote und Programme für die Qualifizierung und Entwicklung von Frauen, die bereits seit Jahren in den Unternehmen sind. Die wichtigsten Instrumente sind dabei Mentoringprogramme und Frauennetzwerke.

Wenn in ein bis zwei Jahrzehnten Frauen in TOP-Positionen und auf allen Ebenen der Karriereleiter eine Selbstverständlichkeit sein sollen, ist vieles notwendig: Die Maßnahmen der Unternehmen, ein Kulturwandel in der Gesellschaft und individuelle Studienund Karriereentscheidungen von jungen Frauen. Bei den Studienanfängerinnen lässt sich eine moderat positive Entwicklung ablesen. Aktuell liegt z. B. der Anteil von Frauen bei den Studienanfängerinnen bei etwa 22 %. Vor zehn Jahren waren es weniger als 16 %.
Auch bei der absoluten Zahl der Studienanfängerinnen ist ein deutlicher Aufwärtstrend sichtbar. Dabei hat die oftmals kontroverse Diskussion um das Th ema ‚Frauenquote‘ ebenso eine Rolle gespielt wie die große Zahl an Initiativen der Wirtschaft , Mädchen und Frauen für die Informatik zu begeistern. Im BITKOM treibt der ‚Fachausschuss Frauen in der ITK‘ das Gender-Th ema voran. Kooperationen mit Hochschulen und Mentoringangebote gehören zu den laufenden Aktivitäten. So standen auf der ‚women&work‘, Deutschlands größter Frauen-Karrieremesse, knapp 25 Mentorinnen aus 16 BITKOM-Mitgliedsunternehmen bereit, um in einem Speedmentoring annähernd 60 Studentinnen und Young Professionals rund um die Th emen Ein- und Aufstieg in der ITK zu beraten.

Dr. Stephan Pfisterer

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