Stuart Cameron ist Gründer der STICKS & STONES – dem selbst ernannten Rockstar unter den Karrieremessen. Im Interview erzählt er über seine eigene Erfahrungen als schwuler Arbeitnehmer und warum Unternehmen gut daran tun, sich als “stolze Arbeitgeber” zu outen.
UNIGLOBALE: Warum war die Zeit reif für eine Karrieremesse wie die STICKS & STONES?
Mir hat eine Karrieremesse gefehlt, auf der ich sehen kann, welchen Unternehmen es tatsächlich egal ist, wer man ist. Viele denken: Hauptsache ich habe eine Qualifikation, dann mache ich Karriere und der Rest ist doch piepe. Stimmt aber nicht. Es gibt noch immer Vorbehalte – ob du eine Frau, ein Ausländer oder, wie ich eben, schwul bist. Wenn ein Unternehmen nicht ganz klar zeigt und nach außen kommuniziert, dass es hinter jedem Mitarbeiter steht – egal ob Frau oder Mann, schwul, lesbisch, hetero, bi oder transgender, mit oder ohne Migrationsgeschichte, alt oder jung –, dann kann dir das Probleme machen.
UNIGLOBALE: Sprichst du aus persönlicher Erfahrung?
Ja. Direkt anprangert wird ja kaum. Das macht man in unserer Gesellschaft nicht. Das drückt sich eher dadurch aus, dass man einem in Runden den Rücken zeigt, statt mit einem zu sprechen. Dass getratscht wird und Worte fallen wie „der Schwuli“. Ich selbst hatte irgendwann überhaupt keine Lust mehr, von meinem Wochenende zu erzählen oder zur Firmenfeier meinen Freund mitzubringen und dann Getuschel zu hören wie „Oh, der Kollege, der ist ja vom anderen Ufer!“ Ich hätte mir ein Unternehmen gewünscht, das sich outet und sagt: „Ich bin ein stolzer Arbeitgeber“. Dann wäre mir einiges leichter gefallen.
UNIGLOBALE: Was sind für dich “stolze Arbeitgeber”?
Unternehmen, die mit dem Thema Diversity ernsthaft umgehen und in denen Vielfalt gelebt wird. Zugespitzt gesagt arbeiten hier Frauen nicht nur in der Personalabteilung und Migranten nicht nur in Positionen, die sonst keiner machen will. Es sind Unternehmen, die Offenheit als einen Vorteil ansehen und die Unterschiede feiern.
Mir geht es gar nicht darum, dass ich einen Arbeitsgeber habe, der mir stets High fives gibt und mich als den „Schwulen Mitarbeiter des Jahres“ vorstellt. Man sollte normal darüber sprechen und auf der Webseite klarstellen, dass auch Schwule und Lesben, Bisexuelle und Transgender und alle anderen Formen von Andersartigkeit willkommen sind. Wenn einem Unternehmen die sexuelle Identität wirklich egal ist, will ich, dass das irgendwo steht und klar adressiert ist. Als Statement des Unternehmens.
UNIGLOBALE: Bringt Vielfalt einem Unternehmen denn nicht auch Vorteile?
Ja, klar. Es ist doch spannender und produktiver, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die anders ticken und andere Werte mitbringen als du. Um Talente anzusprechen, musst du heutzutage ein offener Arbeitsgeber sein und eine Umgebung bieten, in der man sich wohlfühlt und nicht verstellen muss. Mein Eindruck: Die erfolgreichsten Unternehmen sind auch oft die offensten. Es wäre interessant, diesen Zusammenhang wissenschaftlich zu untersuchen. Talente wollen bei einem Unternehmen arbeiten, das attraktiv ist und eine wertschätzende Unternehmenskultur pflegt. Und Attraktivität bedeutet nicht nur gute Bezahlung. Ein Beispiel: Mark Zuckerberg von Facebook, der beim letzten Pride in San Francisco zusammen mit 1.000 Mitarbeitern auf einem Wagen war. Wenn dein Chef so etwas macht, ist das doch mal eine coole Aussage.
UNIGLOBALE: Um bei euch präsent zu sein, müssen sich Unternehmen bewerben. Welche “Qualifikationen” könnte eine solche Bewerbung enthalten?
Die Aussteller müssen nachweisen, dass sie ein offenes Unternehmen oder auf dem Weg dorthin sind. Zum Beispiel durch besonderes Engagement im LGBT-Bereich, durch den Fakt, dass es geoutete Führungskräfte gibt, über Briefe von „ganz oben“, in denen die Geschäftsführung uns mit geplanten Projekten überzeugt, oder durch das Vorhandensein eines firmeneigenen LGBT-Mitarbeiternetzwerks.
UNIGLOBALE: Gab es Unternehmen, die dich durch ihr Engagement überrascht haben?
Ehrlich gesagt: die meisten. Wir haben viele der großen Top-Firmen dabei. Einige davon habe ich früher als ziemlich homophob eingeschätzt. Erst später habe ich herausgefunden, was die alles machen. Zum Beispiel IBM, die sich seit 20 Jahren stark engagieren, ihre Unternehmensrichtlinien umgestellt haben, Hetero- wie Homosexuellen gleiche Rechte in Steuersachen gewähren und dafür vielfach ausgezeichnet worden sind.
UNIGLOBALE: Viele trauen sich dennoch nicht, sich zu outen. Fehlt es allgemein vielleicht auch an Vorbildern? Zum Beispiel geoutete Führungskräfte?
Klar, es gibt Klaus Wowereit, Guido Westerwelle oder Thomas Hitzlsperger. Aber im eigenen Umfeld fallen den wenigsten Menschen schwule Führungskräfte oder Vorstandsmitglieder ein.
Viele, die nach „oben“ wollen, outen sich nicht. Das gilt noch immer als Karriere-Aus, denn dort gehe es nicht um Qualifikation, sondern darum, wen man kennt und dass man keine Schwäche zeigt. Und Schwulsein wird oft als Schwäche ausgelegt. So wird zumindest oft argumentiert. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so stimmt oder ob es eher mit den eigenen Ängsten zu tun hat. Ein positives Beispiel ist Apple-Chef Tim Cook. Der ist an der Spitze eines großen Unternehmens und hat es einfach irgendwann gesagt, ohne groß Wind darum zu machen und auf jeden Pride zu rennen. Vor allem in der Tech-Branche gibt es viele geoutete Führungskräfte.
UNIGLOBALE: Gibt es für das Outing einen richtigen Zeitpunkt?
Ich kann jedem nur empfehlen, zu sein, wie man ist und sich nicht zu verstellen. Weil es so anstrengend ist, dieses Versteckspiel. Das gilt übrigens auch für Heterosexuelle. Man muss nicht den dicken Macker spielen und über jeden dreckigen Frauenwitz der Kollegen lachen, wenn man keinen Bock dazu hat.
Die Firmen sind mittlerweile so durchsichtig geworden, man findet so viel online und kann sich im Vorfeld informieren. Ich würde mich nie bei einem Unternehmen bewerben, das nicht ganz klar hinter mir steht. Wieso soll ich mich diesem ganzen Stress aussetzen und mich mit Fragen wie „Wann oute ich mich?“ beschäftigen? Ist das Unternehmen nicht offen für Vielfalt, kriegt es meine Bewerbung nicht.
UNIGLOBALE: Für wen ist die STICKS & STONES genau die richtige Karrieremesse?
Wir wollen hier keine Parallelgesellschaft aufbauen, sondern Menschen zusammenbringen. Die Unternehmen suchen ja nicht Schwule oder Heteros, sondern Leute, die gut sind. Bei uns ist deshalb jeder willkommen, egal ob LGBT, Hetero, etwas außerhalb davon oder dazwischen – nur für Homophobe, Sexisten und Rassisten haben wir keinen Platz.
Was man natürlich nicht erwarten darf: Dass man einen Job bekommt, bloß weil man nun schwul, lesbisch oder sonst was ist. Um einen Job bei uns zu bekommen, musst du qualifiziert sein, was geleistet haben, Begeisterung und Leidenschaft mitbringen.
www.the-rockstar.com
Sticks & Stones Karrieremesse auf vimeo.com
Verwandte Artikel:
- Arbeiten im Internet der Dinge
- “Verstehen wie die Dinge funktionieren”
- Arbeiten was gesund macht
- Viel mehr als weiße Kittel
- Die Autoforscher
- Brandenburg bietet interessante Karrierechancen
- Theorie trifft Praxis – Duales Studium mit Lidl als Ausbildungspartner
- Wir haben nachgefragt – Karriere im Handel
- Wie Eigenmarken sehr geil wurden
- Karriere bei der EU
Stuart Cameron ist Gründer der STICKS & STONES – dem selbst ernannten Rockstar unter den Karrieremessen. Im Interview erzählt er über seine eigene Erfahrungen als schwuler Arbeitnehmer und warum Unternehmen gut daran tun, sich als “stolze Arbeitgeber” zu outen. UNIGLOBALE: Warum war die Zeit reif für eine Karrieremesse wie die STICKS & STONES? Mir hat