Bildung öffnet in unserer Gesellschaft nach wie vor viele Türen, erhöht die Chancen auf sozialen Aufstieg und finanzielle Sicherheit. Vielen Deutschen mit Migrationshintergrund bleibt diese Chance jedoch immer noch verwehrt. Gerade einmal 14% der 20 bis 30 Jährigen Deutschen mit Migrationshintergrund nehmen ein Studium auf. Zwar ist die Tendenz seit Jahren steigend, doch liegt sie immer noch knapp 10% unter der Quote von Studienanfängern ohne Migrationshintergrund.
Grund dafür ist oftmals auch die finanzielle Belastung, welche ein Studium mit sich bringt, nach wie vor sind viele Familien mit Migrationshintergrund eher einkommensschwach. Dieser Ansicht ist auch Prof. Dr. Andrä Wolter, Bildungsforscher an der Humboldt-Universität Berlin. Daran ändert bei vielen auch die Aussicht auf BaföG nichts, da dieses bis zu einem Wert von 10.000 Euro nach Studienende zurückgezahlt werden muss. Das hat auch die Hans-Böckler-Stiftung erkannt und vergibt seit 2007 innerhalb der „Böckler-Aktion Bildung“ (BAB) gezielt Stipendien an junge Menschen, deren Familien kein Studium finanzieren können. Mehr als zwei Drittel der aktuellen Stipendiatinnen und Stipendiaten sind die ersten in ihrer Familie, die studieren, gut ein Viertel hat einen Migrationshintergrund.
So auch die 19-Jährige Jusra Esmahil. Sie ist die erste in ihrer Familie, die studiert. Als sie klein war, floh ihre Familie aus dem Irak. „Ich hatte Glück und konnte die deutsche Sprache im Kindergarten lernen. Bei meinen Eltern ging das nicht so schnell, weshalb ich seit Anbeginn meiner Schulzeit bei den Hausaufgaben auf mich allein gestellt war.“ Nach der vierten Klasse erhielt sie eine Empfehlung für die Hauptschule und hat sich danach durch die verschiedene Schulformen durchgeboxt. Im letzten Jahr hat Jusra ihr Abitur gemacht und als BAB-Stipendiatin ihr Jura-Stuidum an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main begonnen.
900 Euro bekommt Jusra monatlich von der Stiftung, den BaföG-Höchstsatz von 600 Euro plus 300 Euro für weitere Studienausgaben. „Ohne das Stipendium hätte ich schon beim Hochschuleinstieg einen Nebenjob aufnehmen müssen und hätte weder Zeit, mich meinem Studium zu widmen, noch meinem gesellschaftspolitischen Engagement“, sagt die 19-Jährige.
Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung Dr. Wolfgang Jäger ist überzeugt von BAB, doch räumt er ein, dass alleine durch die Förderung seiner Stiftung, das Problem der ungleichen Bildungschancen nicht behoben werden kann. „Wir sehen, dass der Bedarf weitaus größer ist. Allein auf unsere bisher 1.000 BAB-Plätze haben sich rund 9.000 Menschen beworben, und das dürfte nur ein kleiner Ausschnitt der Interessierten sein. Es ist wahrscheinlich, dass etliche junge Menschen, die nicht gefördert werden können, aus finanziellen Gründen kein Studium aufnehmen.“ Dadurch bleiben diesen nicht nur viele Türen verschlossen, sondern auch für die deutsche Gesellschaft viel Potential und viele Chancen ungenutzt.