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Das Container-Prinzip: Wie eine Wohnform das studentische Leben darstellen kann

Wohnheim, Eltern oder Untermiete – eine große Auswahl hatte man vor einigen Jahrzehnten als Erstsemester nicht. Ebneten alternative Lebensformen wie Kommunen den Weg zu den schnuckeligen WGs von heute, ist die klassische Untermiete beinahe völlig ausgestorben. Mittlerweile sind die Möglichkeiten explodiert, der studentische Wohnmarkt ist ständig im Wandel, so dass die Blüten, die er treibt, kaum zu überblicken sind.

Eine Schiffsladung Erstsemester

Ein Ort, an dem man bisher eher Bauarbeiter oder Bananen vermutet wurden, soll sich in den kommenden Jahren als Alternative zum klassischen Mietshaus etablieren: der Container. Was in den Niederlanden schon seit mehreren Jahren in Form von Studentensiedlungen Realität ist, kommt nun auch auf Studierende in Deutschland zu. Grillwiesen und Cafés sollen für Attraktivität sorgen und die Mieter längerfristig binden, damit die Siedlung nicht nur, wie bisher üblich, als Provisorium gegen die anfängliche Wohnungsnot bei Erstsemestern gesehen wird.

Studierende und andere sozial Bedürftige

Zunächst: Wie lebt es sich in einem Container? Michael Deflorian ist 23 Jahre alt, nach dem Bachelor in Politikwissenschaft an der FU Berlin zog es ihn für den Master in Global Environmental History in das schwedische Studentenstädtchen Uppsala. Statt in einem Berliner Altbau wohnt er nun in einem Container, zehn Fahrradminuten von der Uni entfernt. Außer als Kurzzeitunterkünfte für Studierende vergibt die städtische Wohnbaugesellschaft diese Wohnmöglichkeiten vor allem an sozial Bedürftige. So setzt sich Michaels Nachbarschaft hauptsächlich aus Arbeitslosen, Rentnern und Migranten zusammen. Von einer einmonatigen Kündigungsfrist abgesehen, könne man sich laut Michael höchstens über die fehlenden Möbel in der 41-Quadratmeter-Wohnung beschweren, gerade für Studierende, die neu nach Uppsala ziehen, sei eine Ikea-Tour unausweichlich.

Zu groß für einen, zu klein für zwei

Die Monatsmiete für einen Container liegt bei rund 500 Euro. Für eine große Single-Wohnung in Uppsala zwar durchaus Standard, für einen Studenten wie Michael dennoch teuer. Als WG-Mensch drückte ihm der große, leere Raum schon bald aufs Gemüt, so dass er auf Facebook nach einem Mitbewohner suchte. Es hagelte Anfragen. Zunächst zog eine Mailänderin ein, danach eine französische Kommilitonin, die nun auf einer Matratze im Wohnzimmer schläft. Lange vorhalten wird der Status quo allerdings auch nicht mehr: Schon einen Monat nach Michaels Einzug kündigte die Wohnbaugesellschaft an, den Vertrag in zwei Monaten auslaufen zu lassen. Für Michael ein Lichtblick: Seine französische Mitbewohnerin und er haben beschlossen, sich gemeinsam nach einer neuen Bleibe umzuschauen. „Zumindest sind wir in der Not vereint.“ Sesshaft werden kann man in einem Container eher selten und so hat dieser leere Wohnbehälter die Kraft zu polarisieren. Für die einen ist es ein niedlicher und innovativer Ansatz im Kampf gegen die junge Wohnungsnot, für die anderen klingt allein die Idee nach Wohnen zweiter Klasse, Big Brother und Ghettoisierung.

Der Container als Revolutionär

Neben all dem ist der Container vor allem eins: ein treffendes Symbol für das, worauf das jetzige Bologna-Studium gerne heruntergebrochen wird. Die Geschichte verdeutlicht es: Seinen Siegeszug trat der Container Mitte der 1950er von Amerika aus an. Das Verladen ging schneller, er war normiert, verrutschte kaum, eckte nirgends an, war bei Schäden schnell ausgetauscht und konnte mit allem gefüllt werden, was auf der Welt gebraucht wurde. Der Container habe die Weltwirtschaft revolutioniert, heißt es seitdem gerne. Warum sollte er seine revolutionäre Kraft also nicht auf in anderen Lebensbereichen einbringen können? Als es 2011 in Düsseldorf eine Architekturausstellung rund um den Container gab, formulierte Ausstellungsmacher Werner Lippert es wie folgt: „Container sind ein Symbol für das Leben und Wohnen in unserer globalisierten, beweglichen, nomadischen Zeit.“ Worte, die auch auf ein Studium zutreffen, das modularisierter, globalisierter und massentauglicher ist als noch vor 50 Jahren.

Chancen der Modularisierung

Denkt man das Symbol des Containers konsequent zu Ende, lassen sich jedoch auch erfreuliche Dinge vermelden. Etwa, dass das Fernweh, das so mancher Studierender verspürt, aktiver gefördert wird und sogar im Einklang mit der Studienordnung stehen kann. Die globalisierte Modularisierung mag derzeit nicht dem Bildungsideal vergangener Tage entsprechen. Doch solange Studierende das tun, was sie seit eh und je gemacht haben und ihr eigenes Bildungsideal entwerfen, bietet die Modularisierung ihnen mehr Möglichkeiten als Einschränkungen. Anzeichen dafür gibt es genug: Regelstudienzeiten, die überschritten werden; Auslandssemester, die zum langjährigen Aufenthalt werden; studentische Projekte, die vom Prüfungsbüro sogar belohnt werden.

Ein Container fürs Leben

Doch was passiert, wenn die Erstsemesterflut in den folgenden Jahrzehnten abebbt, Veranstaltungen unterbesetzt statt überfüllt sind und Studentenwohnheime zu Altersheimen umgebaut werden müssen? Vielleicht ist es dann für viele Studierende der Standard, in einem eigenen Container zu leben, ihn günstig von Studienort A zu Praktikumsplatz B transportieren zu lassen und ihn für eine WG an andere Container andocken zu lassen. Das Container-Prinzip würde es anbieten. Und möglicherweise gäbe es dann trotzdem eine Handvoll Studierender, die sich von vergessenen Occupy-Aktivisten inspirieren lassen und verwaiste Hörsäle zu Schlafsälen umbauen und leerstehende Seminarräume mit Betten füllen.

Arbeitskraft gegen Wohnerlaubnis

Seitdem die Klagen über den Wohnungsmangel immer lauter werden, besuchen Journalisten gerne alternative Wohnräume, in dem Studierende noch unterkommen können. Als Hausbewacher wohnen sie dann in Schulen und Krankenhäusern und sollen sie vor Vandalismus und Brandstiftung schützen. Als Pflegekräfte leben sie im Altersheim und begleiten Senioren einige Stunden die Woche beim Spazierengehen. Dazu: Turnhallen und Kasernen, Kellergeschosse und Campingplätze. Man kann in einer solchen Berichterstattung die Verlegenheit von Journalisten sehen, um ihre Zeilen mit kuriosen Wohnmöglichkeiten zu füllen und so auf das Wohnungsproblem hinzuweisen. Trotzdem kann sich, wie die Geschichte der Wohngemeinschaft von einer Wohn- zur Lebensform zeigt, ein genauer Blick durchaus lohnen, um eine Antwort darauf zu finden, wie das studentische Wohnen von Morgen aussehen kann.

Wohnen als Hauswächter:

http://www.stadtstudenten.de/2012/04/wohnen-in-berlin-studenten/
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/camelot-miete-sparen-als-hauswaechter-in-leerstehenden-immobilien-a-883382.html

Altersheim:

http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/wohnungsnot-in-uni-staedten-in-kiel-wohnen-studenten-im-altenheim-a-914510.html
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/studenten-wohnen-im-seniorenheim-a-910855.html

Container:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/containerdorf-in-berlin-living-in-a-box/8451708.html

Kaserne:

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/wohnungsnot-in-unistaedten-studenten-sollen-in-kasernen-wohnen-a-869641.html

Andere Alternativen:

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/studenten-in-wohnungsnot-schlaflos-unterm-abflussrohr-a-793866.html

Eigentlich ist Jan mit seiner WG hochzufrieden. In einen Container würde er nur ziehen, wenn er ihn ans Ufer seines Lieblingskanals im Berliner Wedding pflanzen dürfte. Mit Mitbewohnern natürlich.

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