Online sind alle Menschen gleich!
Tanja ist 26 Jahre alt, macht einen Master in Germanistik und Komparatistik an der Uni Bochum, hat bunt gefärbte Haare, ist netzaffin, liest gerne und geht gerne mit Freunden etwas trinken. Eine typische Studentin halt. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass sie durchs Leben rollt und von Geburt an einen Sprechbehinderung hat. Immer wieder stößt sie deswegen in ihrem Alltag auf Vorurteile. Genau darum und um all die anderen Dinge, die sie so bewegen, geht es in ihrem Blog Rollifräulein . Sie will Leute mit der Nase auf ihre eigenen Vorurteile stoßen und einen Einblick geben, wie behinderte Menschen unter solchen unterschwelligen Vorurteilen leiden.
Tanja liebt das Internet, sie bloggt, sie twittert und ist wie sie sagt, 24 Stunden täglich online. Denn dort ist sie wie alle anderen auch und ihre Behinderung spielt keine Rolle. Offline passiert es ihr oft, dass andere Menschen eher mit ihrer Begleitperson, als mit ihr sprechen oder sie wie ein kleines Kind behandeln. Beides ist ungerechtfertigt, nur weil Tanja im Rollstuhl sitzt und langsam spricht, bedeutet das schließlich nicht, dass sie auch geistig langsam ist. Denn das genaue Gegenteil ist der Fall, ihr Verstand funktioniert genauso wie der von jeder anderen 26-Jährigen.
Auf die Frage, was es mit ihrer Behinderung auf sich hat, antwortet die Studentin in der Regel, dass sie vor ihrer Geburt zu lange die Luft angehalten habe und ihr Gehirn daraufhin in einen lebenslangen Streik in Sachen Motorik getreten ist. Und so sitzt sie im Rollstuhl und kann dadurch auch ihre Sprechmuskeln nur langsam bewegen, was dazu führt, dass sie sich etwas komisch anhört. Tanja ist das vollkommen bewusst und sie geht damit offen um. Erstens höre man sich schnell in ihre Sprechweise ein und sie habe auch kein Problem damit, wenn Leute dreimal nachfragen, betont die 26-Jährige.
Wütend hingegen wird sie, wenn sie wegen ihrer motorischen Schwierigkeiten für dumm gehalten wird. Und das passiert leider viel zu oft, sie wurde beispielsweise einmal in einem Vorstellungsgespräch gefragt, ob sie denn überhaupt lesen und schreiben könne. Eine ziemlich unverschämte Frage, wenn man bedenkt, dass sie vor dem Gespräch eine schriftliche Bewerbung geschickt hatte, in welcher stand, dass sie Germanistik studiert. Und auch die Berührungsängste die andere Menschen mit ihr haben, gehen ihr nahe. Über die Jahre sei das zwar besser geworden, aber es passiere immer noch häufig, dass eher mit ihrer Begleitperson, als mit ihr selbst gesprochen wird.
Besonders schlimm hat sie ihre Schulzeit in Erinnerung, mehrfach wechselte sie die Schule. Zuerst war sie auf unterschiedlichen Sonderschulen, welche sie zwar körperlich unterstützten, sie aber geistig völlig unterforderten. Irgendwann kam sie dann auf eine Regelschule und war fortan intellektuell gefordert, dafür aber auch die einzige Schülerin im Rollstuhl. Ihre neue Schule baute für sie eine Rampe und damit waren die Inklusionsmaßnahmen auch schon abgeschlossen. Sowohl ihre Lehrer, als auch ihre Mitschüler waren mit der neuen Situation überfordert und schauten viel zu oft weg, taten so als wäre sie nicht da, nahmen sie nicht wahr. Zwar wurde sie nie körperlich angegriffen, aber die zwischenmenschlichen Zurückweisungen haben bei Tanja ebenso tiefsitzende Spuren hinterlassen.
Trotz allem ist Tanja froh, dass sie damals auf die Regelschule gekommen ist. Denn ansonsten hätte sie niemals studieren können und hätte sich wohl ihr gesamtes Leben unterfordert gefühlt. Was ihr schon damals geholfen hat, ist das Internet. Dort hat sie schon immer die menschliche Aufmerksamkeit bekommen, die sie in der realen Welt vermisste. Und auch heute noch ist das Internet ihr Medium, dort fühlt sie sich wohl, dort kann sie seien, wer sie ist, ganz ohne all die Vorurteile. Und sie weiß die Vorteile des Internets zu nutzen. Vor Kurzen hat sie dort eine Interrail Reise durch Europa für den Sommer 2014 gewonnen und mit Hilfe einer Crowdfunding Plattform sammelt sie nun Geld, um anschließend aus ihren Erlebnissen einen Reiseführer zu machen. Falls euch also Tanjas Blog gefällt und ihr gerne mehr von ihr lesen wollt, dann könnt ihr hier ihr Projekt unterstützen.
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