Komikerin Carolin Kebekus

Interview mit Carolin Kebekus – „Ich gebe jetzt jahrelange Unterdrückung zurück“

Ihre Karriere begann mit einem Praktikum bei „RTL Samstag Nacht News“, heute hat die Komikerin Carolin Kebekus (36) mit „Pussy Terror TV“ ihre eigene Show zur Prime-Time in der ARD. Im Interview spricht sie über Sexismus, Humor unter der Gürtellinie und schlechte Witze von Mario Barth.

UNIGLOBALE: Frau Kebekus, Sie treten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit einer Comedy-Show auf, die „Pussy Terror TV“ heißt.

Carolin Kebekus: Ja, der Name ist crazy. Wir haben immer sehr viel Spaß, wenn nach den Tagesthemen auf unsere Sendung übergeleitet wird und die Moderatoren das Wort „Pussy“ in den Mund nehmen müssen. Das wäre vor 20 Jahren wahrscheinlich so nicht möglich gewesen. „Pussy“ und „Terror“ ist allerdings auch heute noch eine heikle Kombination.

Warum eigentlich „Terror“? Läuft noch so viel schief bei uns?

Ja. Es ist zum Beispiel immer noch so, dass Frauen das Gefühl vermittelt wird, sie sollten sich nicht alles raus-, sondern lieber etwas zurücknehmen. Weil es zum guten Ton gehört, lieber die anderen vorzulassen. Sonst gilt man schnell als „schwierig“ oder als „Zicke“.

Wie kann man das ändern?

Ich würde mir wünschen, dass Mädchen nicht so ängstlich erzogen werden. Dass sie nicht dazu angehalten werden, sich ständig unter den Scheffel zu stellen. Sondern zu starken Menschen erzogen werden, die keine Angst haben – auch keine Angst davor, ihr Recht einzufordern und ihr Potential auszuschöpfen. Stattdessen sehe ich diese Mädels, die sich bei YouTube Videos ansehen, in denen andere Mädels Tüten auspacken – mit Produkten, die sie in der Drogerie gekauft haben! Oder die sich bei Instagram so fotografieren, als wären sie ein kleines, scheues Reh!

Ist das denn alles nur Erziehung? Oder wollen Jungs eben irgendwann ihren Bagger und Mädchen die Puppe?

Wahrscheinlich sind manche Dinge einfach so. Und es ist für die eigene Identität auch gut, wenn man sich einem Geschlecht zugehörig fühlt. Aber man kann auch als Mädchen eine Barbie-Strumpfhose anziehen oder später hohe Schuhe tragen und trotzdem ein starker, abenteuerlustiger Mensch sein!

Sie reden in Ihrer Show auch gerne über Tabus, zum Beispiel über pupsende Frauen und sexuelle Vorlieben. Ist es vor allem so etwas, das die Leute heute witzig finden?

Ich finde es vor allem selbst wahnsinnig lustig. Ich habe schon immer am liebsten über Witze unter der Gürtellinie gelacht. Zum Glück überschneidet sich das oft mit dem, was auch die Leute lustig finden. So muss ich mich nicht verstellen in dem, worüber ich spreche.

Sind Sie so etwas wie die feministische Antwort auf Mario Barth?

Nicht geplant – aber das könnte man so sehen, ja.

Finden Sie Mario Barths Witze richtig doof?

Nein, das kann ich nicht sagen. Ich habe neulich mal ein altes Programm von ihm gesehen und ich habe mich totgelacht! Allein, was er für ein Timing hat und wie er die Sachen ausspielt! Er benutzt natürlich ein völlig überholtes Frauenbild. Ich kenne jedenfalls keine Frau mehr, die so ist, wie er das beschreibt. Vielleicht kriegt er einfach keine guten Frauen ab, ich weiß es nicht. Ich erkenne mich da jedenfalls nicht wieder. Aber durch die Art und Weise, wie er die Witze aufbaut, zwingt er mich zu lachen. Ich muss als Kollegin anerkennen, dass er ein großes Talent hat.

Wie lange werden wir noch Witze über die Unterschiede von Mann und Frau machen?

Immer. Diese Unterschiede gibt es einfach und jeder wird sich in diesen Witzen wiedererkennen. Für immer und ewig.

War es für Sie schwer dahin zu kommen, wo Sie heute sind – weil Sie eine Frau sind? Oder war es manchmal sogar leichter, weil Sie eine Frau sind?

Ich glaube, beides. Es ist generell keine einfache Sache, Leute zum Lachen zu bringen. Wenn man dann als Mädel auf die Bühne kommt und noch unbekannt ist, ist die Reaktion oft: Ah, eine Frau, dann nutzen wir die Zeit und holen uns das nächste Bier. Die redet ja sowieso nur darüber, dass ihr Mann nicht mit ihr Schuhe einkaufen geht und so.

Wenn die Leute irgendwann gemerkt haben, dass man trotz Frausein witzig ist, ist man plötzlich eine Marktlücke – und das öffnet Türen. Wenn dann bei einer Show noch eine Frau gebraucht wird, hat man ganz schnell einen Fernsehauftritt. Auf der anderen Seite habe ich auch schon gehört: „Nee, wir haben doch schon 'ne Frau.“ Und dann treten sie mit vier Jungs und einer Frau auf.

Haben Sie in Ihrem Business auch Erfahrungen mit Sexismus gemacht, wie viele Frauen in Männerdomänen?

Ja, natürlich. Jede Frau hatte wahrscheinlich in ihrem Beruf schon Berührungen mit Sexismus. Bei vielen Frauen ist das sogar so alltäglich, dass sie sie nicht mal als Sexismus wahrnehmen. Sprüche wie „Ah, die Mädels gehen schon mal 'nen Kaffee machen“ sind solche kleine Sachen. Ich selbst habe mittlerweile einen Status, in dem ich das nicht mehr so mitbekomme. In meiner Crew bin ich mittlerweile der schlimmste sexistische Macho von allen. Da gebe ich jetzt jahrelange Unterdrückung zurück!

Sie haben keinen klassischen, geradlinigen Ausbildungsweg verfolgt. Ihre Karriere hat mit einem Praktikum bei „Freitag Nacht News“ begonnen, von dort hat sich alles weitere entwickelt. Hätten Sie manchmal gerne mehr Sicherheit gehabt und haben es bereut, keine Ausbildung oder kein Studium gemacht zu haben?

Ja, total. Ich habe das ganz oft bereut. Immer dann, wenn es mal schlechte Phasen gab und ich nicht genau wusste, wie es weitergeht. Da habe ich gedacht: Sich jetzt mit einer fundierten Ausbildung irgendwo bewerben zu können, das wäre gut. Ich habe auch lange damit gehadert, dass ich zwar Schauspielunterricht genommen, aber keine richtige Schauspielausbildung habe. Es hat eine Weile gedauert, bis ich vor mir selbst vertreten konnte, dass mein Werdegang meine Ausbildung ist.

Sie vertreten in Ihren Shows auch manchmal politisch eindeutige Meinungen, zum Beispiel zum Thema Flüchtlinge. Ist es wichtig, dass Comedians eine eindeutige Haltung haben?

Eine Haltung ist sehr wichtig. Was man sagt, muss authentisch sein und man muss es gerne erzählen wollen. Das muss jedoch keinen politischen Hintergrund haben. Ein Comedian braucht keine Weltverbesserungsansprüche.

Für Ihre politischen Äußerungen sind Sie auf Facebook hart angegriffen worden. Was macht das mit Ihnen?

Ich lese das nicht. Ich bekomme natürlich mit, wenn da viel los ist und da ein Shitstorm ausbricht, darauf werde ich auch angesprochen. Aber ich lösche keine Kommentare, das finde ich albern. Ich lese sie eh nicht, deswegen stören sie mich auch nicht.


Carolin Kebekus spricht über Sexismus, Humor unter der Gürtellinie und schlechte Witze von Mario Barth.

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