"Milliarden" über den Dächern.

Interview mit der Berliner Post-Punk-Band Milliarden

„Betrug kann sehr positiv sein“

Zufallscasting an der Uni: Bei einer Aufnahmeprüfung hörte Punkrocker Ben Hartmann zum ersten Mal, wie Bombe Johannes Aue Klavier spielen kann. Seitdem sind die beiden „Milliarden“ und mausern sich mit Auftritten bei „Rock am Ring“ oder „Circus HalliGalli“ zu einer der aufregendsten jungen Rockbands Deutschlands.

Euer Bandname „Milliarden“ erinnert auf der einen Seite an Reichtum und unbegrenzte Möglichkeiten, auf der anderen Seite an Überfluss und zwielichtige Geschäfte. Was habt ihr euch dabei gedacht?

Ben: Du triffst das schon ziemlich gut: Wir finden auch, dass „Milliarden“ ein ziemlich widersprüchliches, widerspenstiges Wort ist. Auf der einen Seite steckt in dem Begriff etwas von Zerfall, etwas Zwielichtiges: Milliarden sind etwas, womit Götter dealen, große Konzerne. Gleichzeitig steckt in dem Wort aber auch Aufbau. Denn dort, wo Milliarden auftauchen, ist immer irgendetwas kaputt, dann werden die Milliarden investiert und dann geht der Aufbruch wieder los. Wie gut dieser Name zu unserer Zeit passt, haben wir aber erst nach und nach gemerkt. Der Grund, weshalb wir uns für ihn entschieden haben, war ein anderer: Wir haben irgendwann mal eine Theaterwand gesehen, an die jemand das Wort „Milliarden“ gesprüht hatte. Die Leute haben sich damals beschwert, wie man denn ein Kulturhaus besprühen könne, dabei haben sie einfach nur nicht gerafft, dass es die liebevollste Zuwendung überhaupt darstellt, wenn man dem absurdesten Parameter der Zeit in der Kunst einen Ort gibt.

Was meinst du damit?

Ben: Ich meine, dass Milliarden ein Begriff ist, den man nur in der Kunst besprechen kann. Woanders lässt er sich nicht besprechen, weil er real gar nicht greifbar ist. Wenn man zum Beispiel ans Geld denkt, sind Milliarden ja nie an einem Ort, sondern sie bewegen sich in Millisekunden um die Erde und sind nie irgendwo festzumachen. Deswegen ist Milliarden eben so ein absurdes Wort.

Johannes: Gleichzeitig ist es aber auch ein schönes Wort. Alleine schon, wenn man es geschrieben sieht, übt es eine gewisse Anziehungskraft aus.

Euer erstes Album, das gerade erschienen ist, heißt „Betrüger“. Um welche Art von Betrug handelt es sich da?

Ben: Es gibt auf dem Album ein Lied, das „Betrüger“, da geht es aber weniger um diesen negativ konnotierten Moment von Betrug. Wir finden nämlich, dass Betrug etwas sehr Positives haben kann: Wir haben alle Träume und Visionen, Vorstellungen davon, wer wir gerne sein würden. Und letztendlich ist es ziemlich gut möglich, in diesen Träumchen zu existieren. Ich meine, schau uns beide an: Wir haben beide kein Geld und trotzdem sitzen wir heute hier und geben ein Interview, anstatt irgendwo zu arbeiten. Wir betrügen uns da sicherlich auf eine gewisse Art und Weise, aber es ist eben eine Form von positivem Betrug. Wir glauben, dass in diesen Träumen und Visionen eine genauso große Existenzberechtigung liegt wie in der Wirklichkeit.

Johannes: Ich glaube, von Selbstbetrug kann sich niemand frei machen. Dieses permanente Sich-Sachen-Schönreden gehört zum Leben dazu – und ist nicht unbedingt etwas Negatives.

In vielen eurer Songs besingt ihr Widersprüche. In „Blitzkrieg Ballkleid“ etwa heißt es „Lampedusa, Beach Party“, „Popstar, Holocaust“ und dann im Refrain „Ja, das bin ich“. Sind Widersprüche charakteristisch für unsere Zeit?

Ben: Ich bin kein Historiker und kann deshalb nicht einschätzen, ob es früher anders war, aber ich glaube, dass Widersprüche auf jeden Fall ein Merkmal unserer Zeit sind. Diese Gegensätze, die da in „Blitzkrieg Ballkleid“ aufeinanderprallen, finden ja tatsächlich gleichzeitig statt. Und wir können uns davon nicht freimachen, denn wir wissen ja über alle das Bescheid in unserer globalisierten Welt.

Ist eure Beziehung untereinander auch von Gegensätzen geprägt?

Johannes: Ja, es gibt sicherlich Unterschiede zwischen uns. Ben ist mehr so der Exzentriker. Ich gehe öfter mal Kompromisse ein. Wenn ich an irgendetwas Zweifel habe, aber Ben sagt „Nein, das müssen wir jetzt so machen“, dann willige ich meistens ein, weil ich mir denke, dass es schon echt gut sein muss, wenn ihm das so wichtig ist. Ich würde Ben so ziemlich jeden Ramsch abkaufen. (lacht)

Ben: Ich glaube aber, in vielen Dingen sind wir uns dann doch wieder sehr ähnlich.

Johannes: Das glaube ich auch. Vor allem in der Einfachheit, Musik zu machen. Wir sind keine verkopften Musiker, spielen auch unsere Instrumente nicht unbedingt perfekt, sondern machen alles aus dem Bauch raus.

Dabei kommt ihr ursprünglich aus zwei unterschiedlichen musikalischen Richtungen.

Johannes: Genau, ich spiele Klavier und war vorher im Popmusik-Bereich unterwegs, Ben kommt eher so aus der Punkrichtung. Wir haben ja beide schon in Bands gespielt, bevor wir uns kennengelernt haben. Ich zuerst ganz klassisch in einer Schulband, aus der sich später eine richtige Band entwickelt hat, dann haben sich natürlich alle wieder getrennt und wir beide haben uns gefunden.

Wie kam das?

Ben: Das war bei einer Aufnahmeprüfung an der Uni, wir haben beide Schauspiel studiert. Durch Zufall war es so, dass Johannes vor mir dran war. Und was er da gespielt hat, klang super und ich habe ihn dann danach einfach mal angesprochen und gefragt, ob wir zwei, drei Lieder zusammen spielen wollen, weil ich Klavier auch schon immer mochte. Und das hat dann sofort super gepasst und es ist gut so, dass wir aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen kommen. Milliarden würden nicht klingen wie Milliarden, wenn einer von uns die Songs alleine machen würde.

Hättet ihr damals gedacht, dass ihr mal so weit kommt?

Ben: Nein. Also man träumt natürlich immer. Ich erinnere mich noch, wie wir einmal während des Studiums am Gebäude unseres jetzigen Labels vorbeigefahren sind und zum Spaß gesagt haben: „Schau mal, das ist unser zukünftiger Arbeitgeber!“ (lacht) Und jetzt sitzen wir wirklich hier.

Johannes: Also ich hatte schon irgendwie immer im Gefühl, dass wir mal ein Album zusammen aufnehmen werden. Aber hätte man mich früher gefragt „Glaubst du, dass du 2016 mal bei „Rock am Ring“ spielen wirst?“ hätte ich natürlich „Nein“ gesagt. Und das ist eben das Krasse, dass wir nun auf einmal gebucht werden, obwohl uns eigentlich noch keiner wirklich kennt und dass sich langsam herumspricht, dass wir den ein oder anderen guten Song spielen. (lacht) Also, so wie das jetzt alles gekommen ist, denke ich mir schon „Krass, was hatten wir für ein Schwein!“

Milliarden - Betrüger Album Cover

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Ben und Johannes sind "Milliarden". Im Interview mit Uniglobale erzählen sie von Betrug und Gegensätzen.

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