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Unter die Haut

Was ist ein Cyborg? Eine Mensch-Maschine wie Robocop? Oder ist schon der Student mit Smartphone ein transhumanes Wesen? Im Cybrog-Verein, gegründet vom Studenten Stefan Greiner, versammeln sich Technikbegeisterte, die über diese Fragen dis­kutieren. Einige pflanzen sich sogar Chips, Hörgeräte oder Magneten in den Körper, um die eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Das Ziel: ein leistungsfähigerer Mensch.

Wie wird der Mensch in Zukunft aussehen? Wird er dank kleiner Chips im Körper Daten speichern und damit unvermittelt kommunizieren können? Wird er nicht nur riechen, schmecken, sehen, hören und fühlen, sondern auch elektromagnetische Strahlungen empfangen und versenden können?

Das alles klingt nach einer Utopie – nach Ideen aus Filmen wie Robocop, Terminator oder Minority Report. Doch wenn man Stefan Greiner glaubt, ist diese Utopie längst Realität geworden.

Der Berliner Student ist überzeugt, dass wir mittendrin sind, die Grenzen des Menschlichen zu durchbrechen und das Cyborg-Zeitalter zu betreten. Und er kann gute Beispiele geben. »Gerade in der Medizin werden viele Cyborg-Experimente durchgeführt. Hier werden Herzschrittmacher und Gehörverstärker in den Körper implantiert, um eine körperliche Behinderung aufzuheben. Aber auch im Sport-Bereich werden mittlerweile Chips hergestellt, die Blutdruck, Herzfrequenz und andere Informationen messen und an externe Geräte versenden – mit Hilfe von Technik, die ganz nah am Körper angebracht ist.«

Der Student Stefan Greiner, der zurzeit an der Technischen Universität Berlin einen Master-Abschluss in Human Factors macht, bezeichnet sich selbst als Cyborg. Er hatte sich im vergangenen Jahr einen Magneten in einen seiner Finger implantieren lassen, um elektromagnetische Strahlungen zu empfangen. Mit einem Draht, der um den Finger gewickelt war, konnte er Anrufe auf seinem iPhone entgegennehmen. Er musste lediglich eine Handbewegung in der Luft durchführen und danach den Finger an sein Ohr halten, um mit dem Anrufer zu sprechen. Der Magnet übertrug die Strahlungen vom Handy aus der Hosentasche ans Ohr.

Mittlerweile ist der Magnet weg. Er störte beim Klettern, sagt Greiner. Auch der Chip sei nicht mehr da, mit dem er seinen Puls und andere Informationen ans Handy senden konnte. Aber im Grunde genommen sei er immer noch Cyborg. »So wie wir alle übrigens.«

»Das vergessen viele, besonders die Kritiker der Cyborg-Kultur. Doch auch die Benutzung eines Smartphones impliziert Aspekte des Transhumanen.«

Stefan Greiner muss es wissen. Er ist Gründer und Mitglied des Berliner Cyborg-Vereins, dem ersten Verein dieser Art in Deutschland. Hier treffen sich Technikbegeisterte, Hacker und selbsternannte Cyborgs, die sich für das Thema interessieren, Grenzen des Menschlichen sprengen und auf die Thematik aufmerksam machen wollen. »Wir diskutieren über aktuelle Dinge, aber auch über grundlegende philosophische und anthropologische Fragen: In welche Richtung soll die Mensch-Maschinen-Konstellation gehen, gesellschaftlich und politisch?« Aber auch die praktische Anwendung kommt nicht zu kurz. »Wir entwickeln Geräte oder hacken bestehende Implantate, um sie zu modifizieren. Das ist für mich der spannendste Bereich. Das Hinterfragen vom Standard-Bild des Menschen.« Die Implantate sollen dazu dienen, die Fähigkeiten des Menschen zu erweitern.

»Die Entwicklung des Menschen ist ein evolutionärer Fakt. Der Mensch will sich mit seinen Werkzeugen weiterentwickeln. Das ist nichts Neues. Das wird immer so sein.« Greiner möchte mit seinem Verein technische Lösungen vorschlagen und Ideen anstoßen, bevor es Unternehmen stellvertretend für die Gesellschaft tun. »Wir wollen den Cyborg-Diskurs kritisch begleiten und verhindern, dass Google und andere Unternehmen in Zukunft entscheiden, wie wir mit der Mensch-Maschinen-Thematik umzugehen haben.«

Auch Angelo Wyszengrad ist Mitglied im Verein. Der Cyborg, der Mechatronik an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin studiert, hat sich ebenfalls einen Magneten unter die Haut implantiert, mit dem er elektromagnetische Wellen empfangen kann. Außerdem hat er sich in einem Piercing-Studio einen millimetergroßen Chip in seine Hand einpflanzen lassen. Noch könne dieser Chip nicht viel, sagt Angelo. Aber rein theoretisch sei er vielfach einsetzbar. »In der Zukunft wird vieles möglich sein, wovor man sich heute noch scheut. Wenn es rechtlich möglich wäre, könnte man so einen Chip als Mensa-Karten benutzen. Dann müsste man in der Mensa beim Bezahlen nur die Hand ausstrecken. Aber noch ist die Gesellschaft nicht reif dafür.«

Das merkt der Student bei Diskussionen immer wieder – die ethischen Bedenken seien hoch: Was ist, wenn eine fremde Gewalt Zugriff auf die Elektronik in unserem Körper bekommt? Wie lassen sich Manipulationen ausschließen? Angelo wiegelt ab. »Hier können Programmierer Lösungen finden. Fakt ist, dass sich die Verschmelzung zwischen Mensch und Maschine gar nicht mehr aufhalten lässt.« Schon heute würden Prothesen hergestellt, die Sportler leistungsfähiger machten als deren implantatfreie Konkurrenz. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Meinung der Menschen ändert und so eine Technik für alle zur Anwendung kommt. Bis dahin geht es uns darum, das Thema in die Gesellschaft zu bringen, damit wir ein gemeinsames Bild entwerfen können. Eine Cyborg-Gesellschaft wird es ohnehin geben.«

Und wie könnte so eine Gesellschaft aussehen? Für Stefan Greiner liegt das Szenario sprichwörtlich auf der Hand: »Computer waren früher riesige Kisten. Die werden heute immer kleiner und kommen immer näher zum Menschen und erweitern dessen Fähigkeiten« Das passiert momentan durch sogenannte ‚Wearables’ wie Smartphones. Nun sei der nächste Schritt zu beobachten: Chips, die am Körper angebracht werden wie etwa Elektro-Tattoos. »Ursprünglich waren diese Tattoos für Sportler gedacht. Über die Tattoos konnte man die Laktat-Werte konstant überwachen. Dann haben Wissenschaftler zufällig herausgefunden, dass diese Tattoos über den Schweiß Strom erzeugen können. Jetzt sollen sie auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen weiterentwickelt werden. Sie könnten als Bio-Sensoren genutzt werden. Motorola hat bereits ein Tattoo entwickelt, das Stimmen modellieren kann.« Insofern sei es eine gesellschaftliche Akzeptanz-Frage, bis der nächste Schritt kommt und die Haut als Grenze des Körpers durchbrochen wird. »Das wird bald passieren. Da bin ich mir sicher. Dann wird man keine Google-Glass mehr brauchen, sondern Informationen über Implantate direkt im Auge abrufen können.«

Angelo stimmt hier zu. Wenn er an die Zukunft denkt, dann sieht er unbegrenzte Möglichkeiten. »Irgendwann wird es möglich sein, Chips ins Gehirn zu implantieren, mit denen wir ganz direkt Daten austauschen können – einfach mit unseren Gedanken, wie von Festplatte zu Festplatte.« Beide Studenten basteln daran, dass dies keine Fantasie mehr bleibt, sondern handfeste Realität.

Wie steht ihr zu dem Thema? Wo liegt für euch die Grenze der Verschmelzung von Mensch und Maschine? Oder sind wir schon längst alle Cyborgs?

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