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Mit MINT wird's spannend! Interview mit Frau Dr. Walther-Klaus

Dr. Ellen Walther-Klaus

Dr. Ellen Walther-Klaus ist Geschäftsführerin der Plattform „MINT – Zukunft schaffen“, einer Initiative, die sich für MINT-Berufe starkmacht. MINT sei fern von den Menschen, sei furchteinflößend, nichts für Frauen und kreative Köpfe – im Interview räumt sie mit diesen Vorurteilen auf.

UNIGLOBALE: Frau Dr. Walther-Klaus, Sie selbst haben Mathematik, Physik, Informatik und Philosophie studiert und später in Logik promoviert. Was hat Sie an diesen Fächern fasziniert?

Ich wollte wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Zum Beispiel durch die Mathematik als die Sprache der Natur. Die Modellbildung, die man dort macht, hat mir später immer wieder geholfen, komplexe Dinge zu vereinfachen. Die Vielfältigkeit der Phänomene lässt sich damit in eine Ordnung bringen, die für den Menschen beherrschbar ist. Wunderbares Beispiel: Geradengleichungen. Nehmen Sie beispielsweise y = mx +b und Sie haben alle Geraden, alle Variationsmöglichkeiten mit einer Gleichung in der Hand. Das hat mich fasziniert. Genauso ging es mir mit Fragen der Physik und Astronomie.

UNIGLOBALE: Spielten die Naturwissenschaften in Ihrem Elternhaus oder Ihrer Schulbildung eine große Rolle?

Mein Vater hat sich zwar auch für naturwissenschaftliche Fragen interessiert, war aber im Bergbau als Hauer beschäftigt. Ich bin also ein typisches Aufsteigerkind. In der Schule hatte ich keinen Chemie- und nur ein halbes Jahr Physikunterricht. Am Anfang meines Physikstudiums haben viele gefragt: Willst du das wirklich wagen? Ich habe geantwortet: Wenn ich das wirklich lernen will, dann schaffe ich das auch. Dabei würde ich mich nicht als überproportional begabt bezeichnen. Ich denke einfach, ein MINT-Studium ist kein Hexenwerk. Es ist Arbeit.

UNIGLOBALE: Warum entscheiden sich dennoch vergleichsweise wenige für einen MINT-Studiengang?

Weil viele die Möglichkeiten, die man dort hat, gar nicht sehen. Es ist zu wenig bekannt, was diese Studiengänge und Berufe für große Chancen bieten, dass unzählige Verbindungen zum Alltag bestehen, dass Verdienstmöglichkeiten und Ausstiegschancen sehr gut sind. Das ist das große Problem.

UNIGLOBALE: Welche Möglichkeiten sind das zum Beispiel?

Wussten Sie beispielsweise, dass der Druck, der einem ICE begegnet, der aus einem Tunnel fährt, wesentlich größer ist als der Druck, den eine Raumfähre hat, die wieder in die Erdatmosphäre eintritt? Ich finde das total faszinierend. Aber es kommen keine jungen Leute auf die Idee: Wow, wir wollen Eisenbahnen designen! Niemand sieht, welche großen Herausforderungen dahinterstecken, dies auf der Erde technologisch zu bewältigen. Regionalzüge, Schwebebahnen, Straßenbahnen, Elektrobusse – alle haben Probleme, die es lohnen, sie zu studieren. Das ist Alltag, das ist das, was ich täglich benutze. So eine Straßenbahn fährt eben nicht von alleine.

UNIGLOBALE: Sollten sich auch mehr Frauen trauen?

Aber natürlich. Nehmen Sie das Thema Verkehrslogistik, wenn z. B. ein Flughafen eingeschneit ist. Ich finde absolut ein Thema für Frauen. Die organisieren den ganzen Tag ihre Familie und den Haushalt – die könnten doch auch spielend so ein Flugfeld organisieren.

UNIGLOBALE: Die Abbrecherquote in einigen MINT-Studiengängen ist vergleichsweise hoch. Was kann man als Studenten dagegen tun bzw. wie dem vielleicht vorbeugen?

Jeder kennt das, dass man auch mal einen Durchhänger hat. Dann ist es immer gut, jemanden zu haben, an den man sich wenden kann. Viele Studenten wissen gar nicht, dass es an ihrer Uni Alumni-Clubs gibt. Gern übernehmen deren Mitglieder Patenschaften, sind Coaches, betreuen ihre zukünftigen Kollegen und geben ihnen Tipps.
Es muss meiner Meinung nach auch nicht immer die große Universität sein. Es gibt fantastische kleinere Universitäten – wie z. B. in Greifswald. Manchmal denke ich heute: Wow, wenn ich das gewusst hätte, ich hätte was anderes studiert, ich wäre woanders hingegangen. Also: Sich erkundigen! Und vielleicht nochmal eine ganz andere Richtung einschlagen.

UNIGLOBALE: Liegt es vielleicht auch an der Lehre? Wie müsste sie verbessert werden?

Mehr Praxis, mehr Praxisorientierung, mehr Verzahnung mit Unternehmen. All diese Probleme, die ich oben beschrieben habe, lassen sich mit Differenzialgleichungen lösen. Aber umgekehrt weiß kaum jemand, was Differenzialgleichungen mit diesen alltäglichen Problemen zu tun haben. Es nützt mir herzlich wenig, wenn ich das alles mathematisch lösen kann, aber nicht weiß, wie ich das konkret anwenden kann.

UNIGLOBALE: Wenn Sie heute nochmal studieren könnten: Was wäre das?

Vielleicht Geologie, Geografie und Stadtplanung der Zukunft. Da gibt es so spannende Themen, die kaum jemandem bewusst sind. Zum Beispiel, dass die größten Städte der Erde alle erdbebengefährdet sind. Das wäre für mich ein Anreiz, zu fragen: Wie müssten diese Städte ausgestattet sein, damit es nicht zu riesigen Katastrophen kommt?

UNIGLOBALE: Oder die Trinkwasserproblematiken. Wie stellen wir zukünftig Trinkwasser her, bei immer knapper werdenden Ressourcen?

Ich halte es sonst eigentlich nicht so mit Goethe, aber hier hat er Recht: „Greift nur hinein ins volle Menschenleben! und wo Ihr’s packt, da ist’s interessant.“ (Faust, Vorspiel, Lustige Person) Sie können so viele Themen nehmen. Mit MINT wird’s spannend!

www.mintzukunftschaffen.de

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