Unternehmen umwerben immer öfter gezielt Frauen aus MINT-Disziplinen. Wir haben mit drei jungen ITlerinnen gesprochen – über Vorurteile, Vereinbarkeit und Vorbilder.
Computer-Nerd, der: Einst abwertende Bezeichnung für einen sozial isolierten, blassen, weltfremden Computer-Freak. Seit US-Serien wie »The Big Bang Theory« gilt der N. mitunter aber als cool. Weibliche Form: keine.
Es ist paradox: IT-Experten sind so gefragt wie noch nie. Sie werden umworben und umschmeichelt, bezirzt und umbuhlt. Denn in der digitalisierten Welt steigt die Nachfrage nach Software-Ingenieuren, Informatikern und IT-Beratern in allen Branchen. Unternehmen werben mit guten Gehältern und aussichtsreichen Jobperspektiven.
Frauen in technischen Berufen sind aber nach wie vor Exotinnen: Die Zahl der Frauen, die sich eine Karriere im IT-Umfeld vorstellen können, stagniert seit Jahren. Der Branchenverband Bitkom geht davon aus, dass aktuell nur etwa 15 Prozent aller IT-Stellen von Mitarbeiterinnen besetzt sind. Der Anteil von Frauen in Informatikstudiengängen liegt bei 23 Prozent.
Frauenförderprogramme und Karrieremessen versuchen daher seit Jahren mit kreativen Wortspielen wie »Komm, mach MINT«, »CyberMentor«, »Girls Day« oder »herCAREER« junge Frauen von einer Karriere im technischen Bereich zu überzeugen. Die Bandbreite der Unterstützer ist groß: Von einzelnen Bundesländern, Universitäten über ver.di bis hin Unternehmen. Die Botschaft: Wir warten auf euch!
UNIGLOBALE hat mit Frauen gesprochen, die eine technische Karriere eingeschlagen haben. Was hat sie an ihrem Berufsfeld gereizt? Welche Erfahrungen haben sie bisher in der Männerdomäne gemacht? Welche Tipps können sie an andere junge Frauen weitergeben?
Sarah Brumhard , Informatik-Studentin an der Hochschule München, Duales Verbundstudium mit Ausbildung zur Fachinformatikerin Anwendungsentwicklung bei Rohde & Schwarz
»Auf der Jobplattform waren viele freie Stellen ausgeschrieben. Allerdings vor allem für Informatiker und Elektrotechniker. Mein erster Gedanke: Ich und Computer? Nein! In der Schule hatte ich Informatik nie auf dem Schirm. Ich hatte das Fach sogar abgewählt.
Plötzlich habe ich mich aber daran zurückerinnert, dass ich vor einiger Zeit mit einem Kumpel zusammen für einen Verein eine Homepage aufgebaut habe. Ich habe ihm die Ideen geliefert und ihm beim Erstellen der Website über die Schultern geschaut. Im Nachhinein dachte ich mir: Eigentlich war’s interessant.
Also bin ich ins kalte Wasser gesprungen und habe mich beim Münchner Elektronikkonzern Rohde & Schwarz beworben – mit Erfolg. Von den acht Auszubildenden im Informatik-Beruf waren wir nur zwei Mädels. Und auch ansonsten ist der Männeranteil im Unternehmen hoch. Das liegt an dem starken technischen Fokus des Unternehmens.
Ich finde es super, mit so vielen Männern zu arbeiten. Meiner Erfahrung nach sind Männer häufig lustiger, sind nicht so leicht eingeschnappt und handeln oft schneller, als lange zu diskutieren. Männer machen einfach oft einmal einen Witz. Ich bin mit zwei Brüdern aufgewachsen und bin das gewöhnt.
An der Hochschule München studiere ich Informatik. Auch dort bin ich eine von wenigen Frauen. Wenn mein Professor in der Vorlesung ‚Guten Morgen, meine Herren‘ sagt, reagiere ich aber nicht empfindlich. Ich sehe das als Abkürzung. Als Person fühle ich mich akzeptiert, da muss man die Geschlechter nicht noch extra betonen.
Das duale Studium gefällt mir gut. Meistens ist es so, dass ich bereits vorab zu Themen im Unternehmen Praxiserfahrung gesammelt habe, bevor ich es in der Uni theoretisch erlerne. Beispielsweise habe ich für Rohde & Schwarz schon ein kleines Programm geschrieben, das Daten auslesen und anzeigen kann, sozusagen ein Datenbank-Programm. Die theoretische Grundlage hierfür habe ich an der Hochschule gelernt und vertieft.
Meine Chancen am Arbeitsmarkt schätze ich jedenfalls sehr gut ein. Als duale Studentin habe ich bereits Arbeitserfahrung, und dann auch noch in einem gefragten Feld.
Ich glaube, dass Frauen nie fifty-fifty in technischen Berufen zu finden sein werden. Das ist auch nicht schlimm. Es gibt Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Mehr Männer mögen technische Dinge als Frauen. Aber Frauen sind nicht per se ungeeignet dafür. Deswegen will ich mehr Frauen dazu ermutigen, sich selbst zu hinterfragen, ob sie wirklich wissen, dass ihnen die Technik nicht liegt, oder ob sie nur glauben, dass es so ist.
Mein Tipp an andere: Schließt den technischen Bereich nicht kategorisch aus! Es ist anders, als ihr denkt. Die Vorstellung vom Informatiker mit der Nerd-Brille, der zu Hause im Keller hockt und hackt, ist längst passé. Der Bedarf an Informatikern ist so groß, dass es prozentual immer weniger Nerds gibt und geben wird.«
Dr. Margrit Klitz , wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bei der Simulations- und Softwaretechnik im Bereich High Performance Computing
»Mathematik und technische Themen haben mich seit der Oberstufe interessiert. Die Beweise in der Mathematik fand ich einfach faszinierend. Und im Physik-Leistungskurs behandelten wir so spannende Themen wie Relativitätstheorie und Quantenmechanik. Dafür konnte ich mich begeistern. Mein erstes kleines Computerprogramm habe ich aber schon in der Grundschule geschrieben.
Dass ich tatsächlich Mathematik studiert habe, überrascht mich selbst immer wieder. Im Prinzip habe ich mit meiner Studienwahl die Herausforderung gesucht – und diese Entscheidung nie bereut.
Denn dieser Weg hat mich in ein spannendes Arbeitsumfeld geführt: Heute arbeite ich im DLR als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der High Performance Computing (HPC) Abteilung der Simulations- und Softwaretechnik. Hier beschäftige ich mich hauptsächlich mit Themen der Strömungsmechanik.
Beispielsweise wird im DLR ein Strömungslöser entwickelt, der beim Design der Flugzeuge von morgen unterstützen soll. Ich arbeite an einem Tool mit, welches das parallele Datenmanagement für diesen Löser übernimmt. Bei der Programmierung von parallelen Algorithmen muss man ein bisschen um die Ecke denken. Das reizt mich besonders. In einem anderen Projekt soll ein freifliegender Hubschrauber simuliert werden. Und das möglichst in Echtzeit, sodass die Software auch irgendwann einmal in Flugsimulatoren eingesetzt werden kann. Innerhalb dieses Projektes gibt es viele spannende mathematische Fragen, gleichzeitig kann ich auch noch sehr viel über nachhaltige Softwareentwicklung lernen. Diese Kombination ist super.
Als Mutter von drei Kindern habe ich bei der Wahl meines Arbeitgebers auch darauf geachtet, dass nicht nur das Thema Forschung, sondern auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie großgeschrieben wird. Beim DLR habe ich es da wirklich sehr gut getroffen.
Was ich mir wünschen würde? Dass sich mehr Frauen für eine Karriere in Technik und Forschung entscheiden. Denn warum auch nicht? Diese Entwicklung geht vielleicht nicht so schnell, wie viele sich das erhoffen. Aber dass es geht, zeigt sich gerade beim DLR: Mit Professorin Pascale Ehrenfreund als Vorstandsvorsitzende haben wir eine Frau als Chef.«
Daniela Pöhler , Trainee bei Continental, Systemingenieurin für Kameras
»Schon in der Grundschule wollte ich Erfinderin werden und Luftballons entwickeln, die gegen die Windrichtung fliegen. Kürzlich habe ich einen Wunschzettel aus Kindergartenzeiten gefunden: Darauf habe ich ein eckiges Männchen gekritzelt – darüber steht in der Handschrift meiner Mutter: Roboter.
Später habe ich Elektrotechnik an der Uni Aachen studiert. Der Frauenanteil war mit etwa zehn Prozent sehr klein. Weil die Uni groß war, gab es trotzdem genügend Frauen in meinem Studiengang, mit denen ich mich angefreundet habe. Von ihnen hat mich natürlich keine gefragt, warum ich mich als Frau für Elektrotechnik interessiere.
Bald bin ich für ein Erasmus-Semester nach Florenz gegangen. Dort war ich ein wandelndes Klischee: Die Deutsche, die Ingenieurswesen studiert, oha! In Italien bin ich als Frau mit Technikambitionen trotzdem immer auf gute Resonanz gestoßen. Und das, obwohl damals noch Berlusconi mit seinen frauenfeindlichen Sprüchen an der Spitze der Regierung war.
Technischen Frauenstudiengängen stehe ich zwiespältig gegenüber: Auch wenn es für manche Frauen möglicherweise hilfreich ist, erstmals nur mit anderen Frauen zu lernen, führen sie natürlich zu einer gewissen Abgrenzung. Für mich wäre es nicht in Frage gekommen, einen reinen Frauenstudiengang zu besuchen. Später arbeitet man schließlich auch mit Männern zusammen.
Im Studium habe ich zwar so einiges gelernt – Formeln aufgestellt und Gleichungen gelöst. Im Job braucht man trotzdem noch einige Einarbeitungszeit. Das Traineeship bei Continental ist eine super Möglichkeit, unterschiedliche Bereiche kennenzulernen. Im Moment bin ich als Systemingenieurin für Kameras zuständig für Fahrassistenzsysteme bei Autos. Das ist spannend und herausfordernd, weil wir ständig das ganze System mit all seinen Komponenten, etwa Hard- und Software, im Blick haben müssen.
Anderen Frauen kann ich nur den Tipp geben: Lasst euch nicht unterbuttern von den Männern! An der Uni müsst ihr in der Gruppenarbeit nicht immer diejenigen sein, die das Flipchart ausarbeiten. Löst euch von diesen Rollenklischees. Ihr könnt auch diejenigen sein, die programmieren und löten!«
Wir stellen Initiativen vor, die rechnikaffine Fraun fördern und zusammenbringen: Vernetzt euch!