Bild: Astrid Grosser
Interview: Philipp Blanke
Uni-Unruhegeist trifft Hochschulstreber: Inga Humpe und ihr Lebensgefährte Tommi Eckart sind Deutschlands erfolgreichstes Elektropop-Duo und auch als DJ-Team legendär. Während sie mehrere Studiengänge begann und schließlich hinschmiss, zog er sein Studium durch. Ihren Hit „36 Grad“ hat man sofort im Ohr – nun sind sie mit neuem Konzeptalbum zurück.
Inga, du hast in Aachen Vergleichende Literaturwissenschaften studiert. Wie kam es dazu?
Ich war schon damals sehr bücherinteressiert und bin es heute mehr denn je. Lesen ist eigentlich mein einziges Freizeitvergnügen. Ich lese wirklich jeden Tag.
Trotzdem bist du nicht lange in diesem Fach geblieben. Warum?
Ich glaube, dass ich damals einfach nicht die nötige Reife für ein Studium hatte. Ich habe aus meinem Umfeld heraus nie gelernt, wie man lernt. Das konnte ich nicht. Ich bin an der Uni rumgeflattert wie ein Vogel im Käfig und wusste nicht, wo meine Wege sind, wo meine Plätze sind, wo meine Futterstelle ist. Ich habe dann Philosophie angefangen und danach Kunstgeschichte und bin dann auf die Schauspielschule gegangen. Das ging dann einigermaßen.
Würdest du ein Studium heute anders angehen oder ist es wirklich einfach nicht deine Welt?
Doch. Dass ich die Freude, Befriedigung und Erfüllung durch ein Studium nicht erlebt habe, ist eine der wenigen Sachen, die ich zwar nicht bereue, aber doch bedaure. Als Ersatz lerne ich jetzt Spanisch.
Tommi, du aber hast dein Studium durchgezogen …
Ja, Jura, bis zum Ende. Studieren, in Kneipen arbeiten und Musik machen – das war damals ein echter Dreifach-Fulltime-Job. Danach habe ich auch eine kurze Zeit als Musikanwalt gearbeitet. Das Studium und die Arbeit haben dabei geholfen, das ganze Musikbusiness besser zu verstehen, Verträge einzuschätzen und mit unserer eigenen und Plattenfirma unabhängig zu sein.
War Jura dein Wunschfach?
Nee, das war das Elternhaus. Eine reine Vernunftsentscheidung. Es gab auch einen gewissen Druck, denn meine Eltern haben mich unterstützt und da willst du es auch nicht vergeigen oder abbrechen. Da gibt es wirklich nur einen Deal: das Ganze durchziehen. Es ist mir zwar bis heute schleierhaft, wie ich das geschafft habe – durch beide Staatsexamen sogar. Vielleicht ist es am Ende doch eine Naturbegabung (lacht).
Glaubt ihr, ihr wärt damals mit einander klargekommen? Tommi, der angehende Jurist, und Inga, die am liebsten in die RAF eingetreten wäre und diverse Studiengänge anfängt und abbricht?
I: Ganz sicher nicht. Wir hätten uns gar nicht getroffen, ich hätte gar nicht zu den Juristen gefunden. Obwohl Tommi immer wieder erzählt, dass er sich schon Ende der 70er Jahre sehr gut mit Musik auskannte und sehr interessiert war. Vielmehr als ich, die damals noch zwischen Büchern und Schauspiel und vielen anderen Bereichen suchend herumgeirrt ist.
Im Juni ist euer mittlerweile achtes Album „Nacht Tag“ erschienen. Was ist das Besondere daran?
I: Ja, Tommi hatte eine geniale Idee …
T: Wir haben eine Filmmusik gemacht und da gab es eine Stelle, an der die Protagonisten aus der Nacht in den Tag hinausgehen. Unser Stück dazu: Erst nächtliche Clubbeats, dann den Song im Studio einmal total umdrehen und in eine hippieesque Tagstimmung verwandeln. Das hat uns so gefallen, das unser neues Album ein Doppelalbum ist – die eine Hälfte die Tag-, die andere Hälfte die Nacht-Version.
I: Diese grundverschiedenen Stimmungen gegeneinander zu stellen, hat uns besonders gereizt. Auch wenn es viel Arbeit bedeutet, denn es sind zehn Lieder, aber 20 Versionen und unheimlich viele verschiedene Mixe.
Seid Ihr eher Tag- oder Nachtmenschen?
I: Ich bin ein early bird. Ich stehe sehr gerne auch schon um sechs oder sieben auf und habe dann schon ganz viel Energie. Tommi ist genau umgekehrt.
T: Ich wäre gern beides. Ich bin kein Vormittagsmensch. Ein Nachmittags- und Abendmensch. Das bin ich.
Wie entsteht bei euch ein Song?
I: In allen möglichen Weisen, die man sich nur vorstellen kann. Mal gibt es einen Text zuerst, mal einen Beat, mal eine Harmoniefolge. Dann setzen wir das zusammen. Manchmal hören wir etwas, das uns gefällt, und wandeln das ab. Male lese ich ein Buch, was eine ganz besondere Stimmung beschreibt und denke: Wow, daraus müsste man doch ein Lied machen! Alles, was man sich nur denken kann, ist Inspiration.
Und woher weiß man, dass ein Song fertig ist?
T: Man macht solange weiter, bis es einem wirklich gefällt. Eigentlich war die Idee, ein Konzeptalbum zu machen, aber bei manchem weicht sich die Idee da auch wieder auf. Wir haben solange an allem gearbeitet, bis es für uns perfekt passte. Wir nennen das immer „wasserdicht“. Ein Song muss „wasserdicht“ sein. Da darf es hinterher keine Zweifel mehr geben, ob der Übergang so stimmt oder die Zeile passt. Und das weicht das Konzept auf.
Ihr lebt und arbeitet schon sehr lange zusammen. Wie funktioniert sowas?
I: Natürlich gehen wir uns auch mal auf die Nerven, aber das nehmen wir mit Humor. Es ist einfach toll, so viele Erfahrungen gemeinsam zu sammeln. Was wir mit 2raumwohnung geschafft haben, hätte ich ohne Tommi nie machen können. Und ich würde mal behaupten, umgekehrt ist das vielleicht auch so. (beide lachen)
T: Ja, ich singe nämlich leider nicht ganz so gut wie Inga. Aber wir machen das tatsächlich schon 17 Jahre zusammen – eigentlich unvorstellbar. Unsere Musik ist gleichzeig auch unser gelebtes Leben.
Uni-Unruhegeist trifft Hochschulstreber: Inga Humpe und Tommi Eckart sind Deutschlands erfolgreichstes Elektropop-Duo.