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Die Autoforscher

Das Auto der Zukunft ist grün, kann Staus vorhersehen und fährt auf Autopilot. Gesucht werden hierfür Menschen, die es entwickeln, weiterentwickeln und fertigen – bei den Autoherstellern selbst ebenso wie bei Zulieferfirmen.

Auf den ersten Blick verbindet den Flughafen Zürich, den Gotthardtunnel, ein MRT-Gerät und eine Senseo-Kaffeemaschine nicht viel. Aber: Sie alle würden ohne Kabel nicht funktionieren – die oftmals von Leoni stammen, einem führenden Hersteller von Drahten, Kabeln und Kabelsystemen. Gesundheitstechnik oder auch Infrastrukturkabel für Ölplattformen machen aber nur einen kleinen Teil des Geschäfts aus – 75 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet Leoni in der Automobilindustrie. Ein Verhältnis, das die Bedeutung der gesamten Branche widerspiegelt: Die Automobilindustrie ist einer der tragenden Pfeiler der deutschen Wirtschaft. Sie setzt jährlich rund 350 Milliarden Euro um, rund 27 Milliarden Euro investieren deutsche Hersteller und Zulieferer jedes Jahr in Forschung und Entwicklung – mehr als jede andere Branche. Die Chancen für einen Job in der Automobilwelt stehen also gut – das gilt nicht nur fur die Autohersteller selbst, sondern auch für ihre Zulieferer, die drei Viertel der Wertschöpfung eines Automobils ausmachen. Scheinwerfer von Hella, Cockpitmodule von Draxlmaier, Fensterheber von Brose oder Reifen von Continental – hinter jeder großen Marke stehen auch zig Zuliefer-Unternehmen. Beim Navi und bei Audio-Systemen, bei der Innenbeleuchtung, Sitzheizung oder elektronischen Sitzverstellung – überall verlaufen große und kleine Kabel, überall ist Leoni mit an Bord: »Wir sitzen da an einer interessanten Schnittstelle im Auto«, sagt Stefan Krug, Nanostrukturtechniker und Trainee bei Leoni. Und weil das Bordnetz eine Art Nervensystem des Autos ist, das alle Bereiche im Fahrzeug miteinander vernetzt, seien die Mitarbeiter immer nah dran an neuen Entwicklungen: „Da jede technische Neuerung auch Rückwirkungen auf das Bordnetz hat, sind wir bei Innovationen frühzeitig involviert“, sagt Krug. Und da ist einiges in Bewegung. Getrieben durch veränderte Konsumgewohnheiten und ein wachsendes Umweltbewusstsein zeichnen sich in der Automobilbranche dabei zwei große Trends ab, die immer mehr miteinander verwachsen: umweltverträgliches und intelligentes Fahren. Auch das Thema Sicherheit bleibt aktuell: »Hier sind auch neue Gadgets wie Abstands-Warnradar, Head-up-Display, Surround-View oder Reifendrucksensoren wichtig«, sagt Sandra Courant vom Verband Deutscher Automobilindustrie (VDA).

INNOVATION ALS ZIEL

Doch welche Fortschritte sind in Bereichen wie Werkstoffe, alternative Antriebsformen, Elektromobilität und Vernetzung überhaupt noch möglich? Wie macht man die Modelle noch leichter und verbrauchsärmer? Und wer kann diese Fragen beantworten? Stefan Krug hat sich schon früh fur diese Branche begeistert, die die Menschen buchstäblich bewegt. Schon während seines Studiums in Würzburg stand er bei Praktika bei Autoherstellern am Fliesband, als Trainee durchläuft er bei der Leoni-Bordnetzsysteme GmbH jetzt verschiedene Bereiche der Abteilung Forschung & Entwicklung, ist in der Vorentwicklung in der Zentralabteilung ebenso dabei wie im Labor bei der Freigabezertifizierung – und schätzt dabei die Bandbreite seiner Arbeit. Schließlich muss ein Bordnetz in einem Dacia ebenso funktionieren wie in einem Aston Martin.

E WIE ELEKTRISCH

Als Nanostrukturtechniker sieht Krug besonders im Bereich der Elektromobilität eine Zeitenwende. Weil ein Elektrofahrzeug keinen Verbrennungsmotor hat, laufen hier statt wie bisher Standardleitungen Hochvoltkabel über das Bordnetz. »Man braucht also viel höhere Spannungen von mehr als 100 Volt – bisher hat es eine 12-Volt-Batterie getan. Das ist eine neue technische Dimension.« Seine Kollegen arbeiten zudem an der Entwicklung alternativer Leitermaterialien, die der Gewichtsreduktionen im Kabelsatz dienen könnten: »Ob der Kabelsatz 50 oder 20 Kilogramm wiegt, macht einen großen Unterschied«, sagt Robert Manger, der bei Leoni das Global Recruiting & HR Marketing leitet: Weniger Gewicht bedeutet weniger CO2-Verbrauch. Noch hinken die Deutschen bei der Entwicklung und Produktion umweltschonender Elektro- und Hybridantriebe hinterher. Doch die Umweltfragen der Automobilbranche sind längst auch eine politische Angelegenheit: So sollen nach Vorstellung der Bundesregierung bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Bisher gibt es im internationalen Vergleich allerdings noch Nachholbedarf. Andere Lander etwa fördern Stromer mit Geld oder Sonderrechten: In Norwegen dürfen Besitzer eines E-Autos beispielsweise die Busspur mitnutzen, und wer in Kalifornien ein elektronisches Tesla-Modell kauft, kassiert bis zu 10.000 US-Dollar staatliche Unterstützung. In Deutschland sind E-Autos meist höchstens auf dem Land und in kleineren Städten zu sehen, hinter dem Steuer sitzen dann typischerweise technikaffine Privatkunden mit ausgepragtem Umweltbewusstsein – und Geld. Denn noch sind Stromer fur die meisten Verbraucher viel zu teuer. Immerhin geht der Trend laut Fraunhofer Institut von Geländewagen und SUVs zu kleineren Karossen. Eine Entwicklung, auf die auch die Branche reagiert. VW will bis 2018 laut seiner Initiative ‚Think blue‘ gar der nachhaltigste Autohersteller der Welt sein, heißt: in jedem Segment das Auto mit der besten CO2-Bilanz anbieten.

FAHRE UND TEILE

Die beste Art, CO2 einzusparen, ist es aber immer noch, gar nicht erst welches zu verbrauchen. Tatsächlich machen immer weniger Menschen den Führerschein, ein Auto gilt weitläufig nicht mehr als Statussymbol und besonders in Großstädten gilt: Wenn schon ein Auto, dann bitte schon ‚to go‘. Daimler hat mit seinem ‚Car2Go‘ schon früh auf dieses Konsummuster reagiert, ebenso BMW mit ‚DriveNow‘ oder Peugeot mit dem Carsharing-Modell ‚Mu‘. VWs ‚Quicar‘ ist eine Mischung aus diesen Konzepten: Man registriert sich online, bekommt im Shop ein Siegel auf den Führerschein, bucht per App oder Internet und öffnet das Auto per Chip. Und an dieser Stelle eröffnen sich Jobperspektiven mit neuen Schwerpunkten. Zwar suchen die meisten Unternehmen in der Branche immer noch Absolventen der klassischen Ausbildungs- und Studiengänge wie Wirtschaftsingenieure, Fahrzeugtechniker oder Maschinenbauer. Neben Designern und Marketingexperten werben die Unternehmen auch um Experten in der modernen Informationstechnologie. Gute Aussichten haben laut VDA vor allem Software-Entwickler, Sensorik- und Elektronikspezialisten.

GANZ VON SELBST

Diese Experten könnten auch einen weiteren Trend vorantreiben, der in greifbare Nähe rückt: das Auto ohne Fahrer. Audi habe diese Idee aktiv vorangebracht, sagt Jessica Geutner, Leiterin ‚Audi Employer Branding‘. Sie glaubt, dass das pilotierte Fahren unsere Art und Weise Auto zu fahren grundlegend verändern wird: »Gerade haben wir das ‚piloted driving concept` auf dem Hockenheimring demonstriert. Da umrundete der Audi RS7 den Grand-Prix-Kurs – im Renntempo, ohne Fahrer. Das hat mich schwer beeindruckt.« Auch, weil die Synchronisierung der Fahrdaten sowie die ständige Vernetzung der pilotierten Fahrzeuge untereinander und mit der Umgebung Staus verhindern und somit die Umwelt entlasten könnte. »Eine echte Win-win-Situation «, sagt Geutner. »Zudem macht diese Technologie den Straßenverkehr sicherer.«

MULTI UND MINT

Um weiter effizienzsteigernde Innovationen zu entwickeln, will man bei Audi das Personal insbesondere in der technischen Entwicklung und in der Produktion aufstocken, zum Beispiel da, wo es um alternative Antriebe wie bei Audi e-tron und g-tron geht. Dabei verzahnen sich Umweltfragen, IT und Mobilitat immer mehr, sagt Jessica Geutner: »Gerade beim Thema vernetzte Mobilität sind ITler bei uns mehr denn je gefragt.« ITler ja, aber bitte keine Nerds – da sind sich die Personaler von Herstellern und Zulieferern einig: Auch wenn die Nachfrage nach Absolventen der MINT-Facher ungebrochen sei, gehören Soft Skills selbstverständlich zum Bewerberprofil. Auch Ingenieure sollten im Team arbeiten können, selbstständig und engagiert arbeiten. Und: »Ein Ingenieur, der seine Idee nicht verkaufen kann, wird in Großunternehmen an Grenzen stoßen«, sagt Audianerin Geutner. Punkten könnten die Kandidaten auch mit außeruniversitärem Engagement. Denn gute Noten seien zwar willkommen, »aber am Ende muss das Gesamtpaket stimmen.«

JENSEITS DES TELLERANDS

Zu diesem Paket zählen immer öfter auch Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse, sagt Robert Manger von Leoni: »Wir erwarten von den Ingenieuren auch kaufmännisches und interkulturelles Knowhow. « Schließlich arbeitet die Mehrzahl der Leoni-Mitarbeiter an Produktionsstandorten in Ländern wie Rumänien, Tunesien, Marokko, Mexiko, Brasilien oder China. In Deutschland sind vor allem innovative Köpfe gefragt, das Potenzial ist hier auch bei anderen Unternehmen der Branche längst nicht ausgeschöpft: Laut Fraunhofer Institut sind deutsche Autohersteller in Sachen effiziente Verbrennungsmotoren weltspitze – hinken jedoch bei Elektro- und Hybridantrieben hinterher. Aber egal, ob das Auto der Zukunft geliehen ist oder geteilt wird, mit oder ohne Sprit und Fahrer fährt – Menschen, die es herstellen, braucht es immer. Sicher, die Kabelsätze bei Leoni entstehen langst in 3D-Programmen am Rechner. »Prototypen werden aber mitunter in der Werkstatt aufgebaut und dabei kann es durchaus vorkommen, dass man einmal selber den Lötkolben in die Hand nehmen muss,« sagt Trainee Stefan Krug.

redaktion@uniglobale.com

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