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Den Kunden im Blick

Gern shoppen gehen reicht nicht aus, um sich für eine Karriere im Handel zu qua- lifizieren. Die Aufgaben für Absolventen in der Handelsbranche sind anspruchsvoll und abwechslungsreich – und werden selten in den Ge- schäften selber ausgeführt.

Natürlich muss es Leute wie zum Beispiel Filial- oder Bezirksleiter geben, welche die Ge- schäftsstellen eines Handelsunternehmens leiten – aber verglichen mit den vielen anderen Jobs ist die Anzahl der Vertriebsmitarbeiter mit Hochschulabschluss gering. Die meisten Akademiker arbeiten in der Zentrale, von wo aus sie die Geschicke des Unternehmens len- ken: Einkäufer entscheiden, welche Waren in den Regalen stehen und sind verantwortlich für die Verhandlungen mit den Lieferanten, oft auch aus dem Ausland. IT-Experten opti- mieren Wirtschaftswarensysteme und Liefer- ketten, also die gesamte Logistik. Marketingexperten bewerben die Produkte und machen das Unternehmen insgesamt bekannter. Visual Merchandiser entwickeln Präsentationskonzepte, Architekten die Inneneinrichtung von Geschäften. Die Liste an Aufgaben in einem Handelsunternehmen könnte noch weiter fortgeführt werden – und zeigt schon jetzt: Chancen gibt es für Studenten der unterschiedlichs- ten Fachrichtungen. Drei Einsteiger stellen wir auf den nächsten Seiten vor.

Handel ist Wandel heißt ein bekanntes Sprichwort – und das trifft es derzeit mehr denn je: So wachsen Online- und stationärer Handel immer enger zusammen, weitere Absatzkanäle sind auf dem Vormarsch. Für Kunden und die Unternehmen selber spielt das Thema Nachhaltigkeit, von der Energieeinsparung in den Geschäften bis zu ökologischen und fairen Produktionsbedingungen der Waren, eine immer bedeutendere Rolle. Und auch angesichts der sinkenden Bevölkerungszahlen muss der Handel sich auf die Zukunft gut vorbereiten, damit der Umsatz nicht wegbricht. »Das Gute am Handel ist: Er unterliegt, im Gegensatz zu vielen anderen Branchen, relativ wenig den Konjunkturschwankungen, daher werden stets gute Leute gebraucht«, sagt Wilfried Malcher, Bildungsexperte und Geschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, der den Akademikeranteil in der Branche auf sechs bis sieben Prozent schätzt. Aber er ist überzeugt: »Aufgrund der Herausforderungen werden im- mer mehr Positionen künftig mit Hochschulab- solventen besetzt werden.«

Porträt 1

LIEFERKETTEN OPTIMIEREN

Niclas Liepold arbeitet als Betriebsleiter in einem Logistikzentrum eines Drogeriemarktes.

Zu Ostern und Weihnachten ist besonders viel los. Aber auch schönes Wetter oder die Fußball-WM sorgen dafür, dass es Niclas Liepold niemals langweilig wird. »Unser Geschäft ist stark abhängig vom Kaufverhalten der Kunden – daher bringt jeder Tag wieder etwas anderes.« Das Regionallager Wustermark der Logistik Dienstleistungszentrum GmbH, dessen Betriebsleiter Niclas Liepold ist, beliefert 193 Rossmann Drogeriemärkte. Seit Anfang des Jahres sind seine rund 160 Mitarbeiter dafür zuständig, dass die Waren zuverlässig und zum richtigen Zeitpunkt bei den Filialen ankommen. Die Aufgabe der 29-jährigen Füh- rungskraft ist es, die Prozesse am Laufen zu halten und zu optimieren. Und es gibt viel zu tun: Wenn der Computer in der Verkaufsstelle meldet, dass Artikelbestände verkauft wurden, werden die Waren im Logistikzentrum bestellt. Dieses fordert wiederum die Produkte bei den Herstellern an und vereinbart Liefertermine, zu denen die Waren ins Lager gebracht werden. Dort stellt der Kommissionierer die Aufträge für die Filialen zusammen, und die Touren zur Auslieferung werden koordiniert. »Am Anfang meiner Tätigkeit für Rossmann habe ich zwei Wochen in einer Verkaufsstelle gearbeitet, um die Warenbestellung und -anliefe- rung kennenzulernen. Das hat mir geholfen, die Prozesse zu optimieren«, erklärt Niclas Liepold. Nun versteht er, warum es ein Problem sein kann, wenn die Ware eine Stunde später als vereinbart ausgeliefert wird oder warum es sinnvoll sein kann, bei einer Anlieferung mehr oder weniger Produkte zu liefern. Um die Lieferkette vom Hersteller bis zum Kunden weiter zu verbessern, steht er in regem Kontakt mit den Verkaufs- und Bezirksleitern der Drogeriemärkte seiner Region.

Vor seinem Start in der Zentrale in Burgwe- del bei Hannover hatte Niclas Liepold keine Berührungspunkte mit der Handelsbranche: Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung als Kaufmann für Logistik- und Speditions- dienstleistungen. Weil er mehr Verantwortung übernehmen wollte, bildete er sich an der Deutschen Außenhandels- und Verkehrsakademie in Bremen zum staatlich anerkannten Betriebswirt weiter. An der Oxford Brooks University schloss er das Bachelorstudium ab, bevor er sich bei Rossmann in der Logistik be- warb. Nach eineinhalb Jahren als Assistent der Logistikleitung übernahm er den Aufbau eines neuen Logistikzentrums – »eine Aufgabe, die mir jeden Tag wieder erneut Spaß macht«.

Porträt 2

HOHE IDENTIFIKATION MIT DEM ARBEITGEBER

Sönke Schiretz betreut als Ausbildungsleiter die Auszubildenden eines Outdoor-Ausrüs- ters.

In 15 verschiedenen Berufen können sich junge Leute bei Globetrotter Ausrüstung in der Zentrale ausbilden lassen: Vom Fachlage- risten über den Informatikkaufmann bis hin zur Kauffrau für Büromanagement reichen die Möglichkeiten für Jugendliche. In den Filialen kommen Verkäufer und Einzelhandelskaufleu- te hinzu. Aber mit denen hat Sönke Schiretz nur einmal im Jahr zu tun, wenn die Auszubil- denden aus den Verkaufsstellen für eine Wo- che in die Zentrale kommen, um den Betrieb dort kennenzulernen. Den Rest des Jahres ist er für die Azubis in der Hamburger Verwal- tung zuständig – von der Rekrutierung bis zu ihrem Abschluss.

»Wir stellen überwiegend sozial benachteiligte Jugendliche ein«, erklärt der Ausbildungsleiter. »Dazu haben wir unter anderem Kooperatio- nen mit dem Berufsbildungswerk und weiteren Trägern. Wir bieten den Schülern ein längeres Praktikum an und entscheiden dann gemein- sam, ob eine Ausbildung sinnvoll ist.«

Er schaut, an welchen Stellen des Outdoor-Ausrüsters passende Ausbildungsstellen frei sind, und begleitet die jungen Menschen, zum Beispiel in Form von regelmäßigen Azu- bi-Meetings, in Feedbackgesprächen oder mit der Organisation von Nachhilfeangeboten.

Dazu steht er in engem Kontakt zu den Ausbildungsbeauftragten der einzelnen Bereiche. Einmal im Jahr gehen die Auszubildenden gemeinsam mit Sönke Schiretz auf Azubi-, zum Beispiel zum Wandern nach Norwegen, und testen gemeinsam die Produkte, die in den Filialen verkauft werden. Sein Studium der Sozialpädagogik, die Weiterbildung zum Erlebnispädagogen sowie die Arbeit bei der Jugendhilfe nach dem Bachelorabschluss haben den 34-Jährigen gut auf seine heutige Aufgabe vorbereitet. “Mir gefällt an meinem Job, dass sich hier alle so stark mit ihrem Arbeitgeber identifizieren – das ist an anderen Branchen ja nicht immer der Fall.”

Porträt 3

ERFOLG IST DIREKT SICHTBAR

Klaus-Peter Münstermann übernahm vor Kurzem seine erste eigene Filiale als Geschäftsfüh- rer.

Während eines Praktikums bei Galeria Kauf- hof kam Klaus-Peter Münstermann das erste Mal in Kontakt mit der Handelsbranche. Die Arbeit in der Hauptverwaltung weckte bei ihm Interesse für die vielfältigen Entwick- lungsmöglichkeiten, so dass er sich in seinem weiteren BWL-Studium auf Handelsthemen spezialisierte und sich nach seinem Abschluss als Diplom-Kaufmann als Trainee bei seinem ehemaligen Praktikumsunternehmen bewarb. »Das ist der beste Weg, um schnell Führungsver- antwortung zu übernehmen«, ist der 28-Jährige überzeugt. Jeweils rund sechs Monate lernte er die verschiedensten Aufgaben in einer Filiale kennen: »Los ging es mit einem Verkaufspraktikum in Düsseldorf, bei dem ich viel auf der Fläche gearbeitet habe, aber auch Aufgaben im Hintergrund, etwa Warenannahme oder Perso- naleinteilung, kennengelernt habe.« Anschlie- ßend wechselte er nach Regensburg, wo er einer Geschäftsführerin, die für Personal und Organisation zuständig war, zur Seite stand. Diese ist für alle Entscheidungen rund um das Personal verantwortlich. Die nächsten sechs Monate führten Klaus-Peter Münstermann nach München. Hier lernte er alles Wichtige über die strategischen und operativen Aufga- ben eines Filialgeschäftsführers.

Nach dem Traineeprogramm arbeitete der Diplom-Kaufmann acht Monate als Assistent der Geschäftsführung in Düsseldorf, bis ihm die Leitung einer eigenen Filiale in Coburg angeboten wurde. »Da dies ein kleinerer Standort ist, habe ich sowohl die Personalaufgaben als auch die operativen Aufgaben eines Geschäftsführers inne«, freut sich Klaus-Peter Münster- mann, der nun ein Team von 65 Mitarbeitern führt, darunter Verkäufer, Abteilungsleiter und Beschäftigte in der Administration. Zum einen wird der junge Geschäftsführer künftig an strategischen Zielen arbeiten, um die Filiale weiterzuentwickeln: »Das kann zum Bei- spiel die Entscheidung sein, Flächen anders zu belegen oder neue Marken hinzuzugewinnen«, erklärt er. Auf der anderen Seite wird er viel im Laden unterwegs sein, um mit seinen Mitarbeitern beispielsweise zu besprechen, welche Aktionen von der Zentrale geplant sind oder wie eigene Aktionen, etwa ein verkaufsoffener Sonntag, umgesetzt werden können.

Für den Handel hat sich der Absolvent entschieden, »weil ich gern mit Menschen arbeite, man schnell Feedback auf seine Arbeit bekommt und Erfolg direkt sichtbar ist«. Am Warenhaus faszinieren ihn die vielen unterschiedlichen Warengruppen: »Trotz der Vielfalt müssen wir die Kunden mit einer gemeinsamen Handschrift ansprechen. Diese Herausforderung macht mir besonders viel Freude.«

Artikelbild (C) Sabine redlich

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