Jan Philipp Zymny hat es drauf. Denn wenn er seine absurden Geschichten erzählt – zum Beispiel über einen Schamanen, der zugleich auch Bankkaufmann und Hühnerfrisör ist, oder eine Reise mit dem Interlunar-Express von Hannover zum Mond – brüllt das Publikum vor Lachen. 2010 stand der Studente zum ersten Mal mit Zettel in der Hand und Mikro vor der Nase auf der Bühne – im November 2015 wurde er bereits zum zweiten Mal zum deutschsprachigen Meister im Poetry Slam gekürt.
In deinen Texten schlüpfst du in fiktive Figuren und spinnst irreale Geschichten. Gibt die Wirklichkeit nichts Spannendes her?
Wir sind jede einzelne Sekunde unserer wachenden Zeit mit der Realität konfrontiert, erfahren ständig ihre sehr engen Grenzen und Gesetze. Meiner Meinung nach ist eine Grundeigenschaft des Menschen das Streben nach Freiheit. Ich gehe einen Schritt weiter und möchte frei sein von den Fesseln der Realität, also befasse ich mich mit dem Überrealen, dem Irrealen, der Imagination. Es gibt so viel mehr Möglichkeiten über Unsinn oder das Absurde zu schreiben, als über sinnvolle Dinge. Was heißt so viel mehr? Unendlich viel mehr grade zu! Da liegt die große Freiheit. Die Realität ist langweilig, also interessiert mich das, was wir, außer in unserer Fantasie, niemals selbst erfahren können.
Was passiert in deinem Kopf, wenn du eine neue Geschichte kreierst?
Ich vergrabe bei Vollmond ein Wiesel unter einem alten Baum. Vorzugsweise ein Laubbaum, Nadelbäume eigenen sich eher für traurige Lyrik. Dann warte ich bis zum Neumond und grabe es wieder aus. Jetzt muss ich nur noch den Schweif des Wiesels an den USB-Port in meinem linken Ohr anschließen, das, wie wir wissen, mit der rechten, der kreativen Gehirnhälfte verbunden ist. Die Ideen werden dann automatisch in meinen Verstand heruntergeladen, der sie danach in Worte und Sätze verwandelt. Meine Hände machen dann den Rest.
Gibt es für dich Grenzen beim Humor? Darf man sich über ‚Minderheiten‘, ja sogar Nazis oder IS-Kämpfer lustig machen?
Die Grenze ist der gute Geschmack. Man sollte nicht wahllos Witze über Minderheiten in jedweder Form machen, sondern gute Witze zusammen mit ihnen. Humor sollte etwas sein, das uns alle verbindet.
Was allerdings Nazis und IS-Kämpfer angeht, so ist ja eine von deren Waffen der Terror. Terror besteht aus zwei Komponenten: Gewalt und Angst. Für erstere haben wir exekutive Maßnahmen, die uns schützen und verteidigen. Wie aber gehen wir mit der Angst um, die aus Terror resultiert? Meiner Meinung nach ist Humor auf jeden Fall ein probates Mittel – er vertreibt sie.
Du bist nicht nur Slammer, sondern auch Student, und hast es mal mit Physik probiert. Warum?
Im Grunde war das bei mir der alte Hunger danach zu wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Ich wollte die Realität begreifen. Außerdem fand ich, verrückter Professoren oder Astronaut sind klasse Berufe..
Letztlich hast du dann aber abgebrochen. Doch zu viel Realität und Gesetzmäßigkeit?
In gewisser Weise schon. Grade das Physikstudium ist ja nur ein großes Aufräumen. Man hat am Anfang eine unordentliche Formel und räumt so lange auf, bis am Ende eine ordentliche Formel steht – so was wie x=1. Ordentlicher wird’s nicht. Irgendwann hab ich aber gemerkt, dass ich das Universum nicht aufräumen kann, da es auch von selbst immer unordentlicher wird. Warum mich also dem natürlichen Fluss des Universums in den Weg stellen, wenn ich auch meinen Teil – einen literarischen Teil – dazu beitragen kann?
Jetzt studierst du Theaterwissenschaften.Hast du daran mehr Spaß?
Da ist schon deutlich mehr Chaos vorhanden als im Physikstudium. Insofern eindeutig: Ja! Eines meiner Ziele im Leben ist, mal ein eigenes Theaterstück zu schreiben und aufzuführen.
Was wünschst du dir zu Weihnachten?
Socken. Mama, wenn du das liest: SOCKEN! Bitte! :)
Und was für das neue Jahr?
Mehr Liebe auf der Welt. Ich weiß, ich weiß … fies kitschig … aber stellt es euch einfach mal vor.