Interview Clueso

Interview Clueso

„Es gibt genug beliebigen Scheiß da draußen“

Der Sänger Clueso ist 35 Jahre alt und macht inzwischen seit 20 Jahren Musik. Sein neustes Album „Stadtrandlichter“ hat er unter seinem eigenen Label produziert, es landete gleich auf Platz 1 der Album-Charts. Clueso ist in Erfurt geboren und lebt dort zurzeit in einer 7er-Künstler-WG, in der es mal ruhig und mal chaotisch zugeht.

Was ist für dich gute Musik?

Für mich sind vor allem zwei Sachen wichtig: Talent und Leidenschaft. Ein Song muss eine Grundenergie haben. Dazu kommt Ehrlichkeit und eine Deckungsgleichheit zum Charakter des Künstlers. Es gibt Mucke, die finde ich erst gar nicht so toll, lerne aber dann die Person dahinter, das ganze Kunstwerk kennen und wenn das passt, dann komme ich auch in die Musik rein. Aber erst mal kann ich mir alles reinziehen, wenn es ehrlich ist und nicht so blass, nicht beliebig. Es gibt genug beliebigen Scheiß da draußen.

Was ist für dich beliebiger Scheiß?

Wenig Geschmack, viel Anbiederung und Konzept. Alles, was sich so ein bisschen unterwirft, um dem Zuhörer zu gefallen. Wenn man merkt, dass sich da nicht jemand das Herz ausgewrungen oder etwas Krasses erlebt hat, sondern es ihm nur darum geht, Leute durch einen Text oder eine Melodie zu erspielen.

Mit was beschäftigst du dich hauptsächlich in deinen Songs?

Viele meiner Lieder sind eine Ode an das Jetzt: dass man das Leben genießt und den Moment schätzt. Meine Musik dreht sich um das Aufwachen, aber auch um das Träumen, die Fantasie. Ich glaube an die Kraft der Gedanken, dass man, wenn man sich ein Ziel an den Himmel hängt, auch in die Nähe kommt. Es geht aber in den Songs auch viel um Beziehungen, um das Zwischenmenschliche.

Würdest du gern die Welt verändern oder wenigstens ein bisschen besser machen?

Früher habe ich gedacht, man kann mit Musik viel verändern, das glaube ich heute nicht mehr. Ich glaube, dass die Leute in erster Linie sich selbst hören und dann mich. Und sie entscheiden, was sie verändern. Doch mit Musik kann man vielleicht erreichen, dass auf der Waage von Yin und Yang etwas auf die richtige Seite gelegt wird. Und wenn die dann irgendwann kippt, war man ein kleiner Teil davon.

Was machst du so, wenn du nicht gerade Musik machst oder hörst?

Ich habe wirklich einen Vogel, was das angeht: Wenn ich von der Bühne gehe, mache ich zur Entspannung am liebsten Musik. Das ist für Leute in meinem Umfeld manchmal nicht so leicht zu verstehen. Außer Musik mache ich nicht viel anderes. Ich gucke noch Serien: Game of Thrones, Breaking Bad, Peaky Blinders, The Knick, True Detective. Und ich verreise gerne.

Du hast dich vor kurzem als „kleiner Hippie“ bezeichnet, weil du in einer kommunenartigen 7er-WG wohnst. Wie kann man sich das vorstellen?

Wir haben alle ungefähr einen ähnlichen Zyklus, wir sind Macher, und es gibt Zeiten, da kommt Spaß und Leben rein und dann sind da viele Menschen und absolutes Chaos. Und es gibt Zeiten, in denen jeder in seinem Zimmer hockt und gerade Fight-Club-mäßig irgendeine Bombe baut. Dann muss absolute Ruhe sein.

Musst auch mal allein sein?

Nicht so oft. Etwas öfter, wenn der Druck steigt und ich viel unterwegs bin. Oder wenn ich mich ans Klavier setze und nicht will, dass irgendwer reinlatscht. Ich habe meine zwei, drei Räumchen und eine Art Katzentür, ich kann auf der einen Seite rein und rauslaufen, ohne dass es jemand mitbekommt. Und wenn die Tür zu ist, dann ist sie zu. Aber sie ist nicht oft zu, ich finde es geil unter Leuten.

Gibt es irgendetwas, worin du spießig bist?

Ich mag es absolut nicht, wenn man Bock auf ein Frühstücksbrot mit Wurst hat und Marmelade an der Butter ist. Und ich kann es nicht leiden, wenn Tabak auf dem Tisch rumliegt. Dieser Rest von der Sucht, der in der Nähe von meinem Frühstück ist – I fucking hate it. Das ist aber alles. Ansonsten bin ich nur spießig, wenn es um Verwirklichung von Ideen geht.

Was heißt das?

Ich habe dann einen Puls und eine Art von Vision und es ist viel Arbeit, dieser Idee gerecht zu werden. Auf dem Weg dahin bin ich spießig, weil es um eine große Frage geht: Wann funktioniert Emotion?

Du hast dein eigenes Label und bist mit deinem letzten Album auf Platz 1 gelandet. Was hast du noch für künstlerische Ziele?

Jetzt höre ich auf und hau' ab... Nee, ich finde es wichtig, „in Würde“ zu altern. Und ich habe noch viele Ideen. Als nächstes möchte ich gern verkleinern. Ich habe keinen Bock mehr auf große Sachen, sondern mehr auf Spontan-Konzerte, kleine Hallen, Nähe zu den Leuten und Nähe zu meiner Gitarre. Sonst kann ich nicht so weit in die Zukunft gucken, mir reichen Halbjahres-Träume.

Du hast gesagt, es muss auch nicht für immer Erfurt sein. Was ist die Alternative?

Ich kann überall Musik machen. Von heute auf morgen könnte ich woanders hingehen. Das steht aber im Moment nicht an.

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Der Sänger Clueso ist 35 Jahre alt und macht inzwischen seit 20 Jahren Musik. Sein neustes Album „Stadtrandlichter“ hat er unter seinem eigenen Label produziert, es landete gleich auf Platz 1 der Album-Charts. Clueso ist in Erfurt geboren und lebt dort zurzeit in einer 7er-Künstler-WG, in der es mal ruhig und mal chaotisch zugeht.

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