Prof. Dr. Bruno Speck
Politik- Professor an der Universidade de São Paulo, Brasilien
Seit über zehn Jahren lebt und arbeitet Bruno Speck schon in Brasilien. Während seines Studiums in Freiburg lernte er seine zukünftige Frau, eine brasilianische Kinderärztin kennen. Der studierte Politikwissenschaftler setzt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Korruption auseinander und engagierte sich daher jahrelang neben seiner Uni-Tätigkeit auch als Berater in einer NGO zur Korruptionsbekämpfung.
UNIGLOBALE: Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus? Was machen Sie an einem typischen Tag zwischen Aufstehen und Zubettgehen?
BS: Mein Tag fängt meist früh an, zwischen 6 und 7 Uhr. Ein ein eng getakteter Kaffee, Müsli and ein Blick durch die Zeitung sind noch Relikte aus der Zeit als die Kinder früh zur Schule mussten. Danach gehe ich an die Uni, 8 Autominuten wenn ich den Hauptverkehr vermeiden kann. Komme ich in den Stau kann dieselbe Strecke auch mal eine Stunde dauern. Der Verkehr ist einer der Faktoren der den Lebansalltag am meisten strukturiert, hier in São Paulo. Flexible Arbeitszeiten bedeuten weniger Zeit im Stau. Ich arbeite dann bis Mittag an der Uni, gehe mit Kollegen oder Studenten essen oder auch nach Hause. Die zweite Tageshälfte verbringe ich meist am Schreibtisch zu Hause. Zweimal wöchentlich halte ich Seminare an der Uni. Im ersten Semester für Undergraduates, im zweiten Semester für Magister- und Promotionskandidaten.
UNIGLOBALE: Was hat Sie nach Südamerika/ Brasilien verschlagen? Wie kam es dazu?
BS: Ich hatte ursprünglich vor, in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten.Ich habe in Freiburg Politikwissenschaft mit Schwerpunkt auf entwicklungspolitischen Fragestellungen und mit starkem Bezug auf Lateinamerika studiert. Habe viel am Arnold-Bergstraesser Institut gearbeitet, das über eine hervorragende Bibliothek zu diesen Themen verfügt.
Nach mehreren Reisen nach Brasilien und einem ASA-Auslandsaufenthalt in einer Favela in Rio de Janeiro, den ich nicht missen möchte habe ich dann allerdings beschlossen, die entwicklungspolitische Schiene zu verlassen und eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Während meiner Promotion in Freiburg ist aus dem „ich“ dann ein „wir“ geworden. Meine Frau, eine brasilianische Kinderärztin, promovierte in dieser Zeit ebenfalls in Freiburg. Die wissenschaftlichen Fragen wurden dann bald von lebenspraktischen überlagert als unsere Familie zuerst mit Lucas und dann mit Willi Zuwachs bekam. Geld, Zeit und Schlaf wurden bald zu kappen Gütern.
Trotzdem haben wir dann den Sprung über den Atlantik gewagt und uns 1993 in Brasilien angesiedelt. Der ursprüngliche Plan war, etwa 5 Jahre zu bleiben und dann wieder zurück nach Deutschland oder in ein anderes Land zu ziehen. Die Welt stand offen, wenn man nur die Courage hatte von neuem anzufangen.
UNIGLOBALE: Wie sieht ihr akademischer Werdegang aus?
BS: Ich würde meinen akademischen Werdegang als eher unkonventionell beschreiben. Ich habe lange studiert und diese Zeit sehr genossen. Nach ein paar Jahren Lehr- und Forschungserfahrung zuerst in Freiburg und dann in Brasilien (an der Unicamp in Campinas, etwa 100 km von São Paulo) und einer intensiveren wissenschaftlichen Beschäftungung mit dem Thema der Korruption habe ich dann 2003 einen Job als Berater in einer Nichtregierungsorganisation zur Korruptionsbekämpfung angenommen. Ich habe bis 2009 für Transparency International in Berlin gearbeitet. Wir haben Regierungen, Parlamentarier, Unternehmen und Bürgerorganisationen bei der Korruptionsbekämpfung beraten.
Die Arbeit in einer großen, professionellen NGO ist mit dem Universitätsalltag nicht zu vergleichen, wohl auch nicht mit einem privaten Unternehmen. Neue Ideen, beispielsweise zur Verbesserung von Ausschreibungsgesetzen zu entwickeln, diese Ideen konkret durchzuplanen, Geldgeber zu finden und dann das ganze Projekt umzusetzen, am Schluss Bilanz zu ziehen über die Erfolge und Misserfolge, sind Abläufe die vielleicht denen eines Unternehmens in einer Innovationsbranche entsprechen. Allerdings sind die Hierarchien sehr flach, die eigene Initiative zählt sehr viel, der Arbeitsaufwand und die Hingabe der meist sehr jungen Leute an die Arbeit ist enorm. Ich mochte diese Herausforderung.
Die extreme Reiseintensität dieses Beratungsjobs und die Sehnsucht nach mehr Zeit fürs Lesen und Forschen haben mich dann zurück an die Uni gebracht. Nach meiner Rückkehr an die Unicamp habe ich mich den Themen Politikfinanzierung, Parteien und Wahlen gewidmet. Es geht mir darum, zu erklären weshalb es in Brasilien mehr als 30 politische Parteien gibt, weshalb die Regierungsbildung dennoch relativ gut funktioniert hat in den drei Dekaden seit dem Ende der Militärdiktatur und welche Rolle die Privatspenden bei politischen Entscheidungen von gewählten Amtsträgern spielen. Diese Arbeit ist sehr stark empirisch orientiert, man kommt um die Bearbeitung grosser Datensätze zu Partei- und Wahlfinanzierung, zu Wahlergebnissen und zu Haushaltsausgaben für Ausschreibungen nicht herum. Auch dies ist eine neue Herausforderung die ich genieße.
Letztes Jahr habe ich dann noch mal die Uni gewechselt. Anstatt 100 Kilometer zur Unicamp zu fahren ist es jetzt ein Katzensprung zur Universidade de São Paulo.
UNIGLOBALE: Gibt es eine deutsche Community an ihrer Uni/ Stadt/ Land?
BS: Ich habe in meinem Freundeskreis viele binational verheiratete Paare. In São Paulo gibt es auch mehrere Zirkel deutsche Expatriates, also Manager, Diplomaten oder auch Wissenschaftler die auf begrenzte Zeit hier sind und den Kontakt mit Deutschland halten wollen. Ich selbst bin wohl nicht mehr unbedingt in dieser Kategorie unterzubringen. Es wird mir hier in Brasilien klarer denn immer wieder vor Augen geführt, dass ich auf einem anderen Flecken der Erdkugel sozialisiert wurde und in diesem Sinne wohl immer Deutscher bleiben werde. Auf der anderen Seite fühle ich mich in dem multikulturellen und multinationalen São Paulo zu Hause. Besonders an verlängerten Wochenenden, wenn Millionen an die nahen Strände fliehen und der Verkehr in der Stadt erträglich wird. Meine Kollegen an der Uni sind aus Neuseeland, Mexiko, Argentinien, Italien, den Vereinigten Staaten, die meisten werden wohl hier bleiben.
UNIGLOBALE: Mit welchem Thema beschäftigen Sie sich im Moment? Welches Buch/ welchen Text lesen Sie gerade (privat und/ oder beruflich)?
BS: Ich schwanke zwischen deutschen, lateinamerikanischen und nordamerikanischen Autoren. Immer wieder komme ich zurück auf Vargas Llosa (La Niña Mala, El Celta) und Garcia Marques (Relato de un náufrago, Noticias de un secuestro) zurück. Auf Portugiesisch lese ich eher politische Biographien. In Deutschland bin ich gerade bei Grass‘ Im Krebsgang gelandet.
UNIGLOBALE: Sind Sie ein Fußballfan? Haben Sie Tickets für die Fußball-WM?
BS: Ich bin absolut fussballuninteressiert. Das hat schon während des Studiums in Freubug meine Freunde gestört, weil ich immer der einzige war der inmitten eines wichtigen Spiels anrufen konnte, um zu Fragen wie es geht. Aber meine Frau ist fanatisch und gibt am Wochenende die Fernbedienung nicht aus der Hand. Ich schaue mit und stelle meist komische Fragen. Wir haben uns um Tickets für die WM beworben, es gab eine Art Lotterie. Wir hatten aber noch kein Glück. Ich denke wir werden auf irgendeinem Weg, der sich in Brasilien immer auftut an Karten für ein oder zwei der Spiele der Vorrunde hier in São Paulo kommen.
UNIGLOBALE: Wer wird Ihrer Meinung nach Weltmeister?
BS: Keine Ahnung. Brasilien ist weit vorgeprescht mit 5 Weltmeistertiteln. Die Erwartungen sind hoch geschraubt und alles unter dem Pokal wäre wohl eine Niederlage. Für die anderen Anwärter wie Spanien, Deutschland, Argentinien oder Italien ist der Druck wohl geringer.
UNIGLOBALE: Wie stehen Sie zu den Protesten in Zusammenhang mit der WM? Sie beschäftigen sich ja auch beruflich mit Korruption, wie würden Sie das Thema im Zusammenhang mit Fußball allgemein und der WM speziell bewerten?
BS: Ich bin gespannt, was im Umfeld und in der Folge der WM passiert in Brasilien. Die Proteste gegen die Durchführung der WM brodeln ja noch. Meine Studenten und mein jüngerer Sohn mischen da mit. Es ist aber schwer abzusehen, ob dieser politische Unmut im Vorfeld der WM auch unter dem Eindruck der internationalen Aufmerksamkeit aufkocht oder ob sich das Fiebern für die eigene Nationalmannschaft letztlich als Grundstimmung durchsetzen wird.
Im Nachhinein wird dann interessant sein, wie sich die Durchführung der WM und das Ergebnis der eigenen Mannschaft auf die Politik auswirkt. Praktisch mit dem Ende der WM beginnt die heiße Wahlkampfphase hier in Brasilien und im Oktober werden Präsident und Kongress neu gewählt. Wenn es organisatorische Pleiten gibt, wird das sicher der Regierung negativ angekreidet. Wenn Brasilien Weltmeister wird, ist wohl die Grundstimmung für eine Wiederwahl von Dilma eher positiv.
UNIGLOBALE: Leiten Sie auch Lehrveranstaltungen? Wie sind die Studenten?
BS: Es gibt die Trennung zwischen Vorlesung und Seminaren in dieser Weise nicht in den Humanwissenschaften in Brasilien. Der Unterricht ist eine Mischung aus beidem. In der ersten Hälfte eines wöchentlichen Seminars (von 14-18 Uhr) gebe ich eher Frontalunterricht, in der zweiten Hälfte gibt es Gruppenarbeit und Diskussion.
Das wöchentliche Arbeitspensum für Studenten ist recht intensiv. Die Studenten an der USP sind aber sehr engagiert,auch weil sie durch einen sehr strengen Eingangsfilter an die Uni gekommen sind. Es gibt (noch) kein Abitur in Brasilien, sondern Eingangsprüfungen an den verschiedenen Universitäten (Vestibular). Wer durch diesen Filter kommt gehört bereits zu den Besten.
UNIGLOBALE: Was würden Sie einem Studenten empfehlen, der ein Auslandsemester in Brasilien machen möchte? Worauf sollte man sich vorbereiten?
BS: Die formellen Kontakte zwischen deutschen und brasiiansichen Universitäten reichen wohl kaum aus um einen Studienaufenthalt einigermaßen reibungslos und erfolgreich durchzuführen. Oft haben die größeren Unis eigene Sekretariate für internationale Kooperation. Am sichersten ist es immer noch, direkten Kontakt zu einem Dozenten herzustellen, der dann die bürokratischen Mühlen, die in Brasilien doch immer wieder ins Stocken geraten, wieder anschieben kann. Ein Austausch im Rahmen eines größeren Kooperationsprojektes zwischen mehreren Unis, das auch Dozenten involviert, ist sicher der Königsweg. Allerdings sollte sich niemand davon abhalten lassen, ein solches Projekt auf eigene Faust durchzuziehen. Mein eigener Werdegang beispielsweise verlief kaum über die Schienen offizieller Programme.
UNIGLOBALE: Haben Sie einen Lieblingsplatz auf dem Campus?
BS: An der neuen Uni noch nicht. Ich bin noch auf der Suche.
UNIGLOBALE: Wenn Sie in die Mensa gehen, was essen sie dort am liebsten?
BS: Das Essen ist in Brasilien sehr vielfältig, aber ich gehe kaum in die Mensa sonder eher in kleine Restaurants auf oder außerhalb des Campus, wo es günstiges Essen gibt. Fleisch und Früchte gibt es in bester Qualität in Brasilien.
UNIGLOBALE: Was machen Sie in Ihrer freien Zeit?
BS: Ich beantworte Interviews! Und fotografiere Grafittis in São Paulo.
Dr. Christiane Ackermann
Mediävistik-Gastdozentin an der Harvard Universität in Cambridge, USA
Ihre Leidenschaft für Literatur entdeckte Christiane Ackermann schon während ihrer Schulzeit in Hannover und Düsseldorf. Während des Studiums und der Dissertation spezialisierte sie sich dann auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Literatur. Seit einigen Jahren ist sie Dozentin am Deutschen Seminar der Universität Tübingen, von Januar bis Juni 2014 zudem Gastdozentin an der berühmten Ivy-League Universität Harvard.
UNIGLOBALE : Was würden Sie gerne von Harvard an ihre deutsche Heimatuni ‚importieren‘ ?
CA: Ein besonders großer Vorteil ist die Seminargröße. An meinem Kurs nehmen neun Studierende teil, was als viel gilt. Von solchen Größen können wir in Deutschland nur träumen. Dadurch ist eine sehr intensive und individuelle Betreuung der Studierenden möglich.
UNIGLOBALE: Gibt es sowas wie ein Harvard-Flair?
CA: Ja, absolut. Der ganze Campus hat eine ganz eigene, besondere Atmosphäre. Man spürt die Tradition und das Selbstverständnis dieser Universität. Das liegt nicht nur an den historischen Gebäuden, sondern auch an den MitarbeiterInnen auf allen Ebenen. Auch als Gastwissenschaft ler wird man als Teil der Community aufgenommen und fühlt sich sehr willkommen. So hat mich z.B. die Houghton Library sehr bei der Vorbereitung einer Seminarsitzung unterstützt.
UNIGLOBALE: Gibt es eine deutsche Community in Harvard?
CA: Die deutsche Community in Harvard ist sehr aktiv. Es gibt u.a. den German Circle, ein unabhängiges Forum der Graduate Students des German Departments. Es fi ndet regelmäßig eine Kaff eestunde statt und erst im letzten Jahr wurde der ‚Simplicissimus‘ von Undergraduates gegründet, das Harvard College Journal of Germanic Studies.
UNIGLOBALE: Haben Sie einen Lieblingsplatz auf dem Campus?
CA: In der kalten Jahreszeit ist das die Cafeteria der Lamont Library. Hier kann man bei Kaff ee und Kuchen gemütlich an der riesigen Fensterfront im Sessel sitzen und auf den Campus.
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