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Gibt es heute noch ein Ausland?

Die Welt rückt immer näher zusammen. Dank Internet und Telefon sind Freunde und Familie stets bei uns. Egal ob sie nur ein paar Straßen oder viele Tausende Kilometer entfernt leben. Alles ist nur noch ein paar Klicks entfernt, ein Ausland gibt es nicht mehr wirklich. Und auch das Unileben wandelt sich, eLearning Formate gehören schon an vielen Hochschulen zum guten Ton und werden laufend weiterentwickelt. Dr. Jan vom Brocke ist Professor an der Universität Liechtenstein und hat einen online Kurs entwickelt, in dem Studenten von verschiedenen Universitäten und aus unterschiedlichen Ländern miteinander arbeiten können. Dafür würde er im Dezember 2013 mit dem AIS Award for Innovation in Teaching ausgezeichnet.

UNIGLOBALE: Sie haben Wirtschaftsinformatik an der Universität Münster studiert. Warum hatten Sie sich für dieses Studium entschieden?

JvB: Schon damals war klar, dass moderne Informations- und Kommunikationstechnologien die Welt verändern würden. An diesen Veränderungen mitzuwirken, war mit ein großer Anreiz. Besonders der Anwendungsbezug war für mich wichtig, weswegen mich Wirtschaftsinformatik so sehr interessierte, da dort Aspekte der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie in Wirtschaft und Gesellschaft im Mittelpunkt stehen. Noch nicht ahnen konnte man damals, wie dramatisch Google, Facebook und Twitter einmal die Welt verändern würden. Heute erleben wir eine noch viel spannendere Zeit der IT und es ist faszinierend mit unserem Lehrstuhlteam hier einen Beitrag leisten zu können. Besonders schön ist es, dass wir in Liechtenstein so kleine Studierendengruppen haben, in denen wir an konkreten Geschäftsinnovationen arbeiten. Für mich ist es sehr motivierend zu sehen, was für tolle Ideen unsere Studierenden haben, und was sie schon während des Studiums für eine tolle Karriere machen.

UNIGLOBALE: Wie würden Sie Ihren Werdegang beschreiben?

JvB: Das Studium war sicher eine richtige Wahl für mich. Aber es war nicht nur das Fach, sondern es waren auch viele Menschen, die mich für die Wissenschaft begeistert haben, allen voran mein akademischer Lehrer Prof. Dr. Heinz Lothar Grob. Er hat mich früh als studentische Hilfskraft beschäftigt und wir haben intensiv an eLearning Projekten zusammen gearbeitet. Es folgte dann die Promotion und die Habilitation in Münster, ohne dass ich das gesondert geplant hätte. Vermutlich waren es die vielen spannenden Projekte und die inspirierende Atmosphäre am European Research Center for Information Systems (ERCIS) in Münster, die mich beflügelt hatten. Von dort aus war ich auch einige Male im Ausland, wie z.B. am University College Dublin in Irland, an der University of Tartu in Estland und an der University of Warwick in UK sowie auch zu Lehraufträgen an anderen deutschen Universitäten, wie der Universität des Saarlandes. Unterschiedliche universitäre Kontexte zu erleben, hat mich sicher sehr bereichert und auch geprägt, in dem was wir heute an der Universität Liechtenstein umsetzen und anbieten können.

UNIGLOBALE: Wie kam es dazu, dass Sie ins Ausland gegangen und nicht in Münster geblieben sind?

JvB: Gibt es heute noch ein Ausland? Die Welt ist so international geworden, gerade in unserem Bereich der digitalen Welt. Ich kann jedem nur empfehlen, hier weit über mögliche „Grenzen“ hinwegzudenken. Eines der großen Privilegien unserer Zeit ist es vermutlich, dass wir wählen können, wo wir uns verwirklichen möchten. Oft ist es verblüffend, welche Möglichkeiten sich da auftun, wenn man etwas über den Tellerrand schaut. So war es auch bei mir. Die Universität Liechtenstein hatte ich vorher noch nicht auf der Agenda, und ich wurde in der Tat erst durch die Stellenausschreibung in der Zeit darauf aufmerksam. Das Umfeld hat mich gleich begeistert: Mitten in Europa, in einer Vier-Länder-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz, und Liechtenstein), wirtschaftlich hoch innovativ und aufstrebend, mit erstklassigen Karrieremöglichkeiten und – nicht zuletzt – in einer traumhaften Lebensregion.

UNIGLOBALE: Wofür genau haben Sie den «AIS Award for Innovation in Teaching» erhalten?

JvB: Was haben wir gemacht? Es ging um einen Kurs für virtuelle, kollaborative Projektarbeit: Studierende von 7 verschiedenen Universitäten weltweit arbeiten das Semester über an
gemeinsamen Projektarbeiten – ohne sich zu kennen und ohne Partner an der eigenen Uni. Die Teilnehmenden lernen, wie IT helfen kann, Grenzen zu überwinden, aber auch wie wichtig Fähigkeiten sind, mit Menschen aus unterschiedlichen Kontexten erfolgreich kommunizieren zu können. Diese Kompetenzen werden in dem Kurs auf innovative Weise vermittelt und gemeinsam mit den Studierenden kontinuierlich reflektiert. Studierende aus über 30 Nationalitäten waren bisher am Kurs beteiligt, der im WS 2013/2014 bereits zum dritten Mal durchgeführt wurde.

UNIGLOBALE: Wie sieht für Sie gute Lehre aus?

Gute Lehre muss für mich Freude machen und zugleich für erfolgreiches Handeln im Leben befähigen. Wenn ich Kinder sehe, frage ich mich oft, wann es eigentlich passiert, dass Menschen die Freude am Lernen verlieren. Das möchte ich vermeiden und so war auch unser Kurs konzipiert.
Wir haben Studierende aus über 30 Nationalitäten zusammengebraucht, um gemeinsam virtuell an Projekten zu arbeiten. Projekte, bei denen es zudem um gesellschaftlich relevante Fragen ging, wie z.B. welche Rolle IT spielen kann, um Hunger, Armut, Wasserknappheit oder soziale Imbalance auf der Welt zu mindern. Der Lernerfolg hat sich fast nebenbei eingestellt, nämlich mit Menschen anderer Kulturen und persönlichen Hintergründen spontan in globalen Teams erfolgreich zusammenarbeiten zu können. Das ist heute eine wichtige Kernkompetenz, weil unsere Absolventen genau solche Situationen täglich haben und ihre Herangehensweise schnell über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.

UNIGLOBALE: Was würden Sie anderen Kollegen empfehlen?

JvB: Ich denke, auch für uns sollte die Freude an dem, was wir tun, immer richtungsweisend sein, und das ist natürlich individuell verschieden. Persönlich finde ich es zudem wichtig, etwas zu bewegen, sodass wir Dinge zu tun (und sie so zu tun), dass wir auch außerhalb der Universität eine kleine Wirkung erziehen. Die Möglichkeiten in Forschung und Lehre sind ja vielfältig.

UNIGLOBALE: Was unterscheidet deutsche Universitäten von Universitäten in Liechtenstein? Was würden Sie an deutsche Universitäten importieren?

JvB: Die Universität Liechtenstein ist hoch spezialisiert, international stark vernetzt und hervorragend mit der Wirtschaft verbunden. Sie ist schnell, familiär und unternehmerisch. In Münster hatte ich 1.200 Studierende in meiner Grundstudiumsvorlesung. Hier haben wir rund 1000 Studierende an der ganzen Uni. In den Masterstudiengängen lassen wir maximal 30 Studierende zu, mit denen wir dann ganz intensiv und persönlich arbeiten können. Das ist natürlich eine ganz andere Welt. Wir arbeiten permanent an gemeinsamen Projekten mit der Praxis. Die eigentliche Vorlesung ist ganz klar das Auslaufmodell. Dafür haben wir Lernmaterialien, Massive Online Courses und vieles mehr. Wenn wir auf dem Campus zusammenkommen, können wir diskutieren, reflektieren und Dinge umsetzen. Im Bereich Wirtschafsinformatik werden unsere Studierenden so stark nachgefragt, dass sie bereits während des Studiums attraktive Arbeitsmöglichkeiten angeboten bekommen und ihre Karrieren starten. Wir unterstützen das, indem wir Präsenzveranstaltungen in Intensivphasen (donnerstags, freitags und teilweise samstags) anbieten. Seminar- und Studienarbeiten erfolgen oft in Verbindung mit der praktischen Tätigkeit und fördern so zugleich den Einstieg in das Berufsleben. Viele unserer Studierenden entscheiden sich auch für eine wissenschaftliche Karriere und beginnen gleich im Anschluss an ihr Studium ihre Promotion.

UNIGLOBALE: Wenn Sie nicht an der Uni sind, wie sieht dann ein perfekter freier Tag bei Ihnen aus?

JvB: Ein perfekter Tag ist ein Tag mit meiner Familie. Wir haben einen kleinen Jungen zu Hause und eine Tochter ist unterwegs. Das sind sehr aufregende und bewegende Momente, aus denen ich viel Inspiration und Kraft schöpfe. Wir gehen gern zu einem nahe gelegenen Bauernhof, besuchen dort die Kühe und Kälber, streicheln die Ponys, rutschen und schaukeln. Mal sehen, wie viele neue Aktionen bald noch dazu kommen.

UNIGLOBALE: Haben Sie eine Lieblings-App? Wenn ja, welche und warum?

JvB: Es gibt tolle Baby Apps, mit lauter Tieren, Autos, Flugzeugen. Ich glaube, das sind momentan meine am meisten genutzte Apps ;-)

UNIGLOBALE: Haben Sie etwas „typisch“ deutsches ins Ausland mitgenommen?

JvB: Viele schöne Erinnerungen und Freundschaften, die wir heute noch sehr lebendig pflegen. Vielleicht noch intensiver als früher, wo sie zum Greifen noch näher waren.

AIS Award

AIS steht für Association for Information Systems und bezeichnet den Weltverband der Information Systems-Disziplin, die internationale Schwesterdisziplin der Wirtschaftsinformatik. Offiziell werden mit dem AIS Award herausragende Leistungen in der Lehre gewürdigt, die sich durch ein hohes Maß an Innovation sowie fachlichen und didaktischen Nutzen auszeichnen.

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