Brasilien ist weit mehr als nur Samba, Fußball, Caipirinha und Copacabana. Das fünfgrößte Land der Erde besitzt auch eine Reihe ausgezeichneter Hochschulen und ist mit Deutschland auf vielfältige Weise bildungspolitisch verbunden. Hier ein paar Tipps für dein Auslandssemester in diesem faszinierenden Teil Südamerikas.
Hochschullandschaft
– Brasilien besitzt rund 200 kostenlose öffentliche Universitäten. Die Mehrheit bilden jedoch die oft recht teuren Privatunis. Ein Umstand, der allerdings nicht automatisch eine bessere Lehre garantiert. So haben die großen öffentlichen Unis – z. B. in Rio de Janeiro, São Paulo oder Campinas – ohne Fragen den besten akademischen Ruf. Und sind von Studienanwärtern heiß umkämpft.
– Viele deutsche und brasilianische Universitäten besitzen Kooperationsabkommen (derzeit rund 442). Diese erleichtern den Zugang zu einem Gaststudienplatz. Besteht auch eine an deiner Uni?
Studienaufbau
– Vorlesungszeit Sommersemester: März bis Anfang Juli
– Vorlesungszeit Wintersemester: Anfang August bis Mitte Dezember
– akademischer Grad: Bacharelado (Bachelor) oder Licenciatura (Lizenziat, Diplom)
– akademischer Grad: Mestrado (Master)
– akademischer Grad: Doutorado (Doktortitel)
Zulassung/Bewerbung
– Jeder Brasilianer, der studieren möchte, muss im Vorfeld eine Eingangsprüfung (vestibular) ablegen.
– Als Gaststudent, der an einer deutschen Universität eingeschrieben ist, musst du diese allerdings nicht bestehen und kannst dich direkt in sogenannten „matérias isoladas“ immatrikulieren lassen.
– Bewerbungsunterlagen: tabellarischer Lebenslauf, Kopien von bereits abgelegten Prüfungen, „histórico escolar“ (Auflistung aller pro Semester besuchter Vorlesungen und Seminare mit Angabe der Semesterwochenstunden und ggf. Noten), Reisepass, Visum
– Einschreibefristen: Sommersemester – Anfang Februar, Wintersemester – Anfang August
Sprache
– Vorlesungen & Co. werden in Brasilien ausschließlich auf Portugiesisch gehalten. Dass du der Sprache mächtig bist und damit den Lehrveranstaltungen folgen kannst, musst du in einem Test nachweisen.
Visum
– Soll dein Aufenthalt länger als 90 Tage dauern, musst du bei der brasilianischen Botschaft in Berlin ein Studentenvisum beantragen.
– Dafür vorzulegen sind: Nachweis über Bewerbung an einer Brasilianischen Hochschule, Reisepass, polizeiliches Führungszeugnis, Passfoto, Nachweis über finanzielle Absicherung während des Aufenthalts
– Nach der Ankunft musst du dich innerhalb von 30 Tagen bei der örtlichen Polizei (Polícia Federal) melden. Dort bekommst du einen vorläufigen carteira de estrangeiro.
Lebenshaltungskosten
– Vor allem in den Metropolen haben die Kosten mittlerweile fast deutsches Niveau erreicht. Willst du „gut“ leben, musst du rund 750 Euro einkalkulieren. Bist du sparsam, reicht vielleicht auch die Hälfte.
Einige Beispiele:
– Tasse Kaffee: 1,30 €
– Bier national (0,5 l): 1,30 €
– Monatsticket U-Bahn: 41,10 €
– Internetanschluss/Monat: 25,99 €
– Kinokarte: 5,85 €
– Miete 1-Raum-Wohnung im Zentrum: 324,92 €
Unterkunft
– Vor allem in den großen Städten gibt es nur wenige Studentenwohnheime. Die Zimmer/Wohnungen sind zudem meist sozial schwachen Studenten vorbehalten. Eine Chance hat man vielleicht, wenn Hochschulpartnerschaften bestehen.
– Die Kosten für eine eigene Wohnung variieren stark (Zentrum – außerhalb, möbliert – unmöbliert). Im Allgemeinen solltest du mit 100 bis 500 Euro pro Monat rechnen.
Bist du der WG-Typ, wirst du sicher in den einschlägigen Internetportalen fündig.
Hilfreiche Links
Bekannte öffentliche Hochschulen in Brasilien
– São Paulo: Universidade de São Paulo (USP)
– Rio de Janeiro: Universidade Féderal do Rio de Janeiro (UFRJ)
– Campinas: Universidade de Campinas (UNICAMP)
– Porto Alegre: Universidade Federal do Rio Grande do Sul (UFRS)
– Belo Horizonte: Universidade Federal de Minas Gerais (UFMG)
Stipendien
– Erich-Egner-Stipendium der Hermes Stiftung
– Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD)
Kultur & Sprachkurse
– Instituto Cultural Brasileiro na Alemanha
– Centro Cultural Brasil-Alemanha
– Brasilianisches Kulturinstitut in Deutschland ICBRA
Visum
– Brasilianische Botschaft Berlin
WG- und Wohnungssuche
– BedyCasa
MARCELA
Marcela Pereira Pedro ist 22 Jahre und studiert Sozialwissenschaft en an der Universidade de São Paulo. Zurzeit legt sie ein Auslandssemester an der Freien Universität Berlin ein.
UNIGLOBALE: Wie ist das Studentenleben in Brasilien?
Sehr lebendig! Vor allem außerhalb der Seminarräume. Immer gibt es irgendwo eine Party, es fi nden Sportwettkämpfe statt, man trifft sich in Diskussionsgruppen, zur Freiwilligenarbeit oder ist Mitglied in sozialen Bewegungen. Es gibt auch Samba-Gruppen – ein echter Trend an brasilianischen Universitäten. Vor allem bei jungen Menschen ist die Samba-Kultur weit verbreitet.
UNIGLOBALE: Wie leben Studenten in Brasilien?
Viele Studenten wohnen in sogenannten ‚repúblicas‘, die rund um die Universitäten angesiedelt sind. Hier teilen sich mehrere Studenten ein Haus, eine Wohnung, manchmal auch nur ein Zimmer. Ich selbst lebe in São Paulo noch bei meinen Eltern. Wegen der Nähe zur Uni und aus fi nanziellen Gründen. So leben die meisten brasilianischen Studenten.
UNIGLOBALE: Wie bist du mit Deutschland in Kontakt gekommen?
2009 war ich hier als Austauschschülerin und habe ein deutsches Gymnasium besucht. Das war meine erste Erfahrung mit der Sprache. Seit dieser Zeit versuche ich, am Deutschlernen dranzubleiben und mich zu verbessern.
UNIGLOBALE: Was gefällt dir an deiner deutschen Uni und was eher nicht?
Die Th eorie wird an deutschen Hochschulen auf einem ziemlich hohen Niveau vermittelt. Was ich jedoch vermisse, ist die praktische Anwendung. In Brasilien haben Absolventen z. B. die Möglichkeit, selbst ein Forschungsprojekt zu entwickeln. Das nennt sich bei uns ‚Iniciação Científi ca‘ (‚Einführung in die Wissenschaft ‘). Das Th ema kann man frei wählen und es können staatliche Zuschüsse beantragt werden. Eine tolle Chance, um theoretische Konzepte in der Praxis zu testen.
UNIGLOBALE: Wie sieht dein Berufswunsch aus?
Später würde ich gern bei der Regierung arbeiten, z. B. im Bereich Gesetzesänderungen. Ich interessiere mich sehr für Themen wie Frauenrechte und Gleichberechtigung – sehr wichtige Themen, besonders in Brasilien. Mein Auslandaufenthalt hier in Deutschland ist daher nicht nur kulturell, sondern auch akademisch eine Bereicherung. Denn Deutschland spielt eine international wichtige Rolle im Bereich der Politik- und Verfassungswissenschaften.
UNIGLOBALE: Wie stehst du zur WM?
Ich bin ein Fußball-Fan, aber ich betrachte die Weltmeisterschaft mit viel Kritik. Ich glaube, durch die vielen Proteste, Streiks
und sozialen Bewegungen ist für die ganze Welt off ensichtlich, wie unzufrieden die Brasilianer mit diesem Mega-Event und der FIFA sind. Tausende Menschen wurden aus ihren Häusern vertreiben. Korruption und Schiefl agen in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Verkehr bekommen kaum Aufmerksamkeit, stehen aber für die Brasilianer viel weiter oben auf der Agenda. Ich werde für Brasilien und die brasilianische Mannschaft jubeln. Aber die Probleme, mit denen mein Land kämpft – auch als Folge der Weltmeisterschaft –, werden durch Erfolge auf dem Spielfeld leider nicht gelöst.
PEDRO
Pedro Capra Vieira ist 33 Jahre und Doktorand der Politikwissenschaft en an der UNICAMP – Universidade Estadual de Campinas (im Bundesstaat São Paulo).
UNIGLOBALE: Warum promovierst du an der UNICAMP?
Weil sie zu den besten Hochschulen Lateinamerikas gehört. Auch das Institut für Politikwissenschaft en ist hervorragend und beschäft igt Experten, die, wie ich, zu den Th emen Partizipation und Demokratie forschen.
UNIGLOBALE: Hast du auch im Ausland studiert?
Ja, meinen Master habe ich in Portugal gemacht, drei Monate war ich für einenForschungsaufenthalt in den USA und direkt nach meinem Studium habe ich in Irland gelebt.
UNIGLOBALE: Wie finanziert man in Brasilien sein Studium?
Ich selbst: durch ein Stipendium von der brasilianischen Regierung und durch die Arbeit als Berater im privaten Sektor. Es gibt hier wirklich eine Vielzahl von Stipendien, für die man sich bewerben kann. Natürlich jobben auch viele Studenten in Kneipen oder Geschäft en.
UNIGLOBALE: Sind auch deutsche Studenten an deinem Institut?
Das nicht, aber wir haben einen deutschen Professor! Ausländische Studenten gibt es einige. Fünf allein in meinem Doktoranden-
Programm.
UNIGLOBALE: Welche Stichworte kommen dir in den Sinn, wenn du an Deutschland denkst?
Qualität, Engagement, Aufgeschlossenheit, Berlin – eine moderne Großstadt.
UNIGLOBALE: Was ist dein Traumjob?
Forscher und Professor an einer Universität. Auch würde ich gern als Experte in der Entwicklungspolitik arbeiten. Aber nicht als Hauptjob. Vielleicht als Spezialist, der dabei hilft , Probleme im Bereich Demokratie zu lösen.
UNIGLOBALE: Wie stehst du zur WM?
Ich bin kein großer Fußball-Fan. Ich komme aus Rio de Janeiro und unterstütze Flamengo, den größten Fußballverein der Stadt. Da hört es aber auch schon auf. Der WM stehe ich kritisch gegenüber. Aber ich denke: Obwohl viele Brasilianer die Tatsache nicht gutheißen, dass der Staat viel Geld in die WM investiert und sie Probleme wie kaum mehr bezahlbare Immobilienpreise kritisieren, es auch viele unter uns gibt, die Fußball lieben. Viele wollen die WM genießen und sind stolz darauf, dass Brasilien damit eine Zeitlang die Hauptrolle im Weltfußball spielt. Natürlich haben auch die Medien einen großen Einfluss. Sie führen eine riesige Image-Kampagne, wollen die Brasilianer von ihren vermeintlichen ‚Bürgerpfl ichten‘ überzeugen und helfen dadurch, den Mythos, Brasilien sei eine Fußball- und Karnevalsnation, zu befeuern.
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