Liebe Studenten,
Fußball zog und zieht Millionen in seinen Bann – unabhängig vom Alter, Geschlecht, Bildungsstand und sozialer Herkunft. Der Soziologe Gerd Hortleder hat einmal gesagt, dass im Fußballsport die Wertvorstellungen industrialisierter Gesellschaften kopiert und zugleich infrage gestellt werden. Zu seinen Grundprinzipien gehören Leistung, Objektivität und Disziplin, aber dramatisch wird ein Spiel zuweilen erst, wenn diese Werte gleichzeitig ins Wanken geraten. Wenn der vergötterte Star einen schlechten Tag erwischt, die Spieler sich überhaupt nicht um die taktischen Anweisungen ihres Trainers kümmern. Der Trainer wird heute als uneingeschränkte Autorität umjubelt (‚mein taktisches Konzept ist heut voll aufgegangen‘) und eine Woche später fristlos entlassen. Die Heimmannschaft wird frenetisch angefeuert und noch im selben Spiel erbarmungslos verhöhnt, als Objekt der Identifi kation und der Aggression in einem. Gesellschaft liche Ideale werden im Fußballstadion kopiert und verworfen zugleich. Eine zentrale Rolle in diesem Wechselspiel spielen Fans, die mit leidenschaft licher Hingabe, Aufopferung, Team- und Gruppengeist ihrer Mannschaft zum Erfolg verhelfen wollen.
Das sind Eigenschaften, die auch für eine erfolgreiches Studium nützlich sind: Wer mit Leidenschaft studiert und auch mal nach seinem Nebenmann Ausschau hält, wird nicht nur besser und schneller zum Ziel kommen, sondern dabei auch noch eine schöne Zeit haben.
Aber diese Leidenschaft kann auch in ungebremsten Fanatismus münden, wie uns gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Fans immer wieder zeigen. Es gilt also die Balance zu halten zwischen Spannung und Entspannung, es gilt den Affekthaushalt in Balance zu halten. Übertriebener Ehrgeiz und Übereifer können die positiven Wirkungen von Leidenschaft und Gruppengeist ins Gegenteil verkehren. ennoch: Wir brauchen dieses Wechselspiel von Spannung und Entspannung, von ‚himmelhoch jauchzend‘ und ‚zu Tode betrübt‘.
Zu Recht schreibt der Soziologe Norbert Elias davon, dass Spannung und Entspannung im Fußballspiel ein besonders gelungenes Beispiel eines psychosozialen Musters unseres Lebens sei. Als Antwort auf ein sehr elementares menschliches Bedürfnis verdient es, ernst genommen zu werden.
Herzlichst,
Prof. Dr. Gunter A. Pilz
Leiter der Kompetenzgruppe‚ Fankulturen & sportbezogene Soziale Arbeit‘ (KoFaS)
Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover
„Meine ganze Familie ist fußballverrückt“
Dennis Grab (28) ist Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Nein, nein, Philipp Lahm ist nicht zurückgetreten. Und nein: Nicht das Team von Bundestrainer Joachim Löw ist gemeint. Denn es gibt noch eine zweite Nationalmannschaft: die der Studenten. Wer hier mitspielt, sitzt abseits des Rasens noch in Vorlesungen und schreibt an Hausarbeiten. Trainiert und gespielt wird zwar nicht regelmäßig, Stürmer und Co. kicken unterjährig in ihren Heimatvereinen, dafür kommt man meist im Vorfeld von Fußballevents – wie der WM in Brasilien – zusammen und geht in der Mannschaft auf Reisen.
UNIGLOBALE: Dennis, was habt ihr als Studentennationalmannschaft denn schon so alles erlebt?
Ich bin jetzt seit drei Jahren dabei. In dieser Zeit waren wir schon viel in der Welt unterwegs. 2011 Paraguay, Uruguay und Argentinien, 2012 Kolumbien und 2013 Brasilien. Wir repräsentieren Deutschland, sind Botschafter und erleben dabei Dinge, die man als normaler Tourist meist gar nicht erleben kann. Wie den Confederations Cup in Rio de Janeiro oder aber Empfänge bei den Botschaftern des jeweiligen Landes. Wir gehen an Universitäten, spielen gegen Uni- und Auswahlmannschaften und engagieren uns sozial. Zum Beispiel indem wir in Favelas gehen und dort zusammen mit Kindern und Jugendlichen Fußball spielen.
UNIGLOBALE: Seit wann spielst du Fußball?
Schon seit ich fünf oder sechs bin. Meine ganze Familie ist fußballverrückt. Meine Oma hat Fußball gespielt, genauso mein Opa, mein Vater und meine Schwester. Ich konnte gerade mal laufen, da hatte ich schon einen Ball am Fuß. Heute spiele ich als Innenverteidiger beim Drittligisten SG Sonnenhof Großaspach.
UNIGLOBALE: Was hast du studiert? Und wie hast du Studium und Fußball koordiniert?
Ich habe in Heilbronn Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung studiert. Seit März bin ich fertig und arbeite jetzt bei Daimler. Schon während des Studiums haben wir unter Profibedingungen trainiert. Das heißt teilweise bis zu zweimal täglich. Da lernt man viel über Zeitmanagement, also wie man Hochschule und Spielfeld unter einen Hut kriegt.
UNIGLOBALE: Studium und Fußball: Haben sich diese beiden Bereiche auch positiv beeinflusst?
Was ich aus dem Studium mitgenommen habe: den inneren Schweinehund überwinden und positiv denken. Das hat mich auch im Fußball sehr weit gebracht. Nie aufgeben, auch wenn es mal Niederlagen gibt. Es kommen auch wieder Siege. Was ich vom Fußball gelernt habe, ist der Teamgedanke. Ich musste für meinen Studienschwerpunkt Marketing häufig in der Gruppe Präsentationen erstellen und vortragen. Da hat mir die Fähigkeit, mich als Teil einer Mannschaft zu sehen, schon sehr geholfen.
UNIGLOBALE: Zum Schluss: Was ist dein Tipp? Wer gewinnt die WM?
Ich finde ja immer noch, dass Deutschland eine Turniermannschaft ist. Aber durch die aktuelle Situation mit verletzten und noch nicht ganz fitten Spielern wäre ich froh, wenn wir das Viertelfinale erreichen. Naja, maximal Halbfinale. Was man nicht unterschätzen darf, sind die hohen Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit. Das wird für viele europäische Mannschaften eine große Challenge sein. Wir haben damals in Bogota gespielt, auf 3.000 Meter Höhe. Das war schon eine extreme Erfahrung. Nach 20 Minuten waren wir k.o. Keine Luft und Kraft mehr.
Daher glaube ich, dass eine südamerikanische Mannschaft – Brasilien, Argentinien oder Uruguay – gewinnen wird.
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