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Du hast die Wahl! Doris Pack über Erasmus +

Am 25. Mai ist Europawahl. Mitmachen heißt mitbestimmen – wie wir zukünftig leben, arbeiten und studieren. UNIGLOBALE war in Brüssel unterwegs und hat zwei Abgeordnete getroffen.

Ein Semester im Ausland verbringen? Nein, als Doris Pack in den 1960er Jahren Pädagogik- Studentin war, spielte dieses Thema für sie und ihre Kommilitonen noch überhaupt keine Rolle. Zwar gab es schon die Europäischen Gemeinschaften EGKS, EWG und Euratom, doch ein Studienaufenthalt in Paris oder ein Praktikum in London – diese Möglichkeiten waren damals noch ein bisschen wie Science Fiction. Um trotzdem über den Tellerrand ihrer saarländischen Heimat zu blicken, blieb Doris Pack nur die Eigeninitiative: In den Semesterferien schulterte sie ihren Rucksack und fuhr zu ihrem Freund, einem französischen Studenten. Zuvor hatte sie ihr Vater schon als Au-pair ins Nachbarland geschickt. »Dafür bin ich ihm bis heute unendlich dankbar «, sagt Doris Pack.

Nicht nur das gute Französisch, mit dem sie heute neben Deutsch, Englisch und Italienisch alltäglich kommuniziert, ist aus dieser frühen Zeit geblieben. Mitten im Zweiten Weltkrieg geboren, wuchs auch die Erkenntnis, was ein Gegen- statt ein Miteinander anrichten kann.
Aus einer Ahnung wurde eine Leidenschaft für Europa und die europäische Idee. Ein Lebensthema, das die mittlerweile 72-Jährige seit nunmehr 25 Jahren beschäftigt.

Als Abgeordnete der Europäischen Volkspartei (EVP) ist das EU-Parlament seit 1989 ihre zweite Heimat. Wie der Gedanke einer europäischen
Identität real werden kann? Für Doris Pack verläuft dieser Weg nicht nur über schöne Worte und offene Grenzen, sondern über den gegenseitigen Austausch im ganz alltäglichen Leben, auf der Arbeit und vor allem im Bereich Bildung. Über junge Menschen, die zum Studieren oder Arbeiten ins Ausland gehen, sich für Europa begeistern und dies weitertragen.

»Ohne Bildung ist alles nichts«, sagt sie. Als Vorsitzende des Kultur- und Bildungsausschusses und Berichterstatterin der EU-Bildungsprogramme (u. a. Comenius, Erasmus, Leonardo und Grundtvig) kämpft und wirbt sie daher seit Jahren für mehr Interaktion, Mobilität und Chancengleichheit. Dass die Möglichkeiten, Europa zu erfahren und die Sprache des anderen zu erlernen, heute größer sind als jemals zuvor – zu einem Großteil haben Studenten das auch Doris Pack zu verdanken. Ihre jüngste Errungenschaft ist ‚Erasmus+‘, eine Neuauflage eben dieser Bildungspro gramme, deren Ausarbeitung sie als Verhandlungsführerin leitete und für die Rat und Europäisches Parlament Ende 2013 endgültig grünes Licht gaben. »Wir haben darin Dinge aufgenommen, die in Diskussionen mit Professoren und Studenten immer wieder zur Sprache kamen«, sagt Doris Pack. So beinhaltet das fast 300-seitige Werk u. a. auch eine ganze Reihe an Neuerungen speziell für Studenten. Darunter die Möglichkeit, mit Erasmus nicht nur wie bisher einmal, sondern dreimal – während der Bachelor-, Master- und Doktorandenphase – ins Ausland zu gehen. Oder aber die Chance, sein komplettes Masterstudium im Ausland zu absolvieren. »Mit dem normalen Erasmus können viele gar nicht gehen. Es sei denn, sie haben reiche Eltern«, so Doris Pack. Das Angebot von ‚Erasmus+‘: ein zinsgünstiges, durch die EU verbürgtes Darlehen. 12.000 Euro für ein Jahr, 18.000 Euro für zwei. Keine Schuld, die man nicht abtragen kann, meint Doris Pack. Manchmal müsse man etwas wagen, sich selbst in die Pfl icht nehmen und es einfach versuchen.

Bis 2020 wird das Programm laufen. Ein Budget von 14,7 Milliarden Euro konnte Doris Pack erstreiten – 40 Prozent mehr als in der bisherigen Finanzperiode. Rund vier Millionen EU-Bürger, darunter zwei Millionen Studenten, sollen davon profitieren.

Studieren im Ausland – für die Politikerin bedeutet das jedoch nicht nur Hörsaal und Sprachenlernen. »Viele denken: ‚Ach, die gehen mit Erasmus, damit sie Party machen können‘«, weiß Doris Pack und nimmt es locker.

Natürlich gehe es vorrangig ums Lernen. Aber was nütze es einem deutschen Studenten, in seinem Wohnheimzimmer in Valencia zu sitzen, allein und nur in seine Bücher vertieft ? Lieber solle er es so machen, wie die jungen Assistenten und Praktikanten hier in Brüssel: abends nach Feierabend raus auf den Place Lux, miteinander reden, von der fi nnischen oder rumänischen Heimat erzählen. »Das ist doch Europa!«, fi ndet Doris Pack. Kommunikation und gemeinsamer Spaß – zwei ‚Tools‘, die den europäischen Gedanken wohl besser transportieren können als jeder Flyer.

Wenn Europa vom 22. bis 25. Mai ein neues Parlament wählt, wird Doris Pack ihre Büros wohl schon geräumt haben. Sie wird nicht mehr kandidieren, beendet ihre politische Karriere. Was sie sich für den ‚europäischen Hörsaal‘ wünscht? Weniger Universitäten, die sich bei der Anerkennung von Credit Points querstellen; mehr Universitäten, die es wagen, ihrem 1999 im Rat durchgeboxten Vorschlag zu folgen: eine Angleichung des Erasmus-Stipendiums an den sozialen Background.

Sie blickt zurück auf ein interessantes, aber auch anstrengendes Arbeitsleben. Dass es sich gelohnt hat, zeigen ihr Situationen wie neulich, als sie in Berlin 350 junge Leute traf. Sie alle hatten einen Freiwilligendienst absolviert, auch ein von Doris Pack initiiertes Teil-Programm. »Nach diesem Jahr weiß ich, wer ich bin, was ich kann und jetzt will ich was ganz anderes machen, als das, was ich noch vor einem Jahr vorhatte« – mit diesen Worten bedankte sich ein Teilnehmer, der gerade aus Litauen zurückkam. »Das ist so ein schönes Gefühl«, sagt Doris Pack.

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