Wissen, wie der Hase läuft

Wissen, wie der Hase läuft

Hochschulabsolventen bietet der Handel eine Vielzahl von Karriere-Optionen. Wer hoch hinaus will, sollte mit einem Traineeprogramm starten. Andreas Schenkel und Florian Conrads sind diesen Weg gegangen – heute bekleiden sie Führungspositionen. Der eine im Baumarkt, der andere in einem Modegeschäft.

Karriere-Fokus I: Handel

Es war kein Zufall, dass Andreas Schenkel nach seinem BWL-Studium ausgerechnet bei der toom Baumarkt GmbH in Köln anheuerte. Ihm wurde der Handel praktisch in die Wiege gelegt: »Mein Vater betrieb ein Holzgeschäft«, erinnert sich der 32-Jährige. Dort half er als Jugendlicher immer mal wieder aus.

»Ich hatte drei Trainee-Angebote und entschied mich letztendlich für toom, weil das eine Top-Adresse ist und ich eine Affinität zum Bauen und Heimwerken habe.« Andreas Schenkel lernte diverse Bereiche des Unternehmens kennen, war ein halbes Jahr im Vertrieb eines toom-Baumarktes und weitere sechs Monate in zentralen Bereichen wie dem Einkauf und Marketing. Er betreute kleinere Projekte, wurde mit Vertriebs- und Marktprozessen vertraut. »Nach einem Jahr ging es darum, sich für das Schlussdrittel auf einen Bereich zu spezialisieren, in meinem Fall für das Category Management. Category Manager sind für die Entwicklung des Sortiments bei toom Baumarkt verantwortlich, sie entscheiden über die Zusammensetzung, Verkaufspreis-Gestaltung und Vermarktung des Sortiments.«

Besonders positiv empfand Andreas Schenkel rückblickend das große Vertrauen, das toom Baumarkt seinen Trainees entgegenbringt: »Wir durften früh Verantwortung übernehmen und mitentscheiden. Die bereichsübergreifende Ausbildung trug dazu bei, die Abläufe im gesamten Unternehmen in den Blick zu bekommen.« Alle Ex-Trainees seines Jahrgangs sind heute toom-Führungskräfte. Er selbst arbeitet als Waren-Koordinator im Cross-Channel-Bereich.

Bachelor willkommen

»Durchlaufend gibt es bei uns zwei Vertriebs-Traineeprogramme, die sich an Absolventen richten: für die Marktleitung und für die Gartencenterleitung«, berichtet Jörg Polkläser, Teamleiter Recruiting Vertrieb in der toom-Zentrale in Köln. Neben toom Baumarkt gehören auch die Supermarktkette REWE, der Discounter PENNY sowie DER Touristik zur Kölner REWE Group. Sie alle bieten eigene Traineeprogramme an – von Vertrieb über Verwaltung bis hin zur Logistik.

Ein Bachelor-Abschluss reicht dabei für den Bewerbungserfolg. »Wir bevorzugen motivierte Bewerber, die ein wirtschaftliches, gerne auch duales Studium mit dem Schwerpunkt Handel absolviert haben.« Wer fachfremd studiert hat, sollte idealerweise Erfahrung im Einzel- oder Großhandel gesammelt haben. Wichtig: »Unsere Trainees sollen uns zeigen, warum sie eine Führungsposition bekleiden möchten«, so Jörg Polkläser. Es sei daher gut, bereits ein kleines Projekt oder eine Gruppearbeit geleitet zu haben. Im Team arbeiten und Menschen motivieren zu können, ist ebenfalls angesagt.

Talente steigen schnell und steil auf

Marktleiter-Traineeships dauern zwei Jahre, künftige Gartencenterleiter werden 18 Monate ausgebildet.

Der Aufbau beider Programme ist ähnlich strukturiert und startet mit einer einjährigen Marktphase. »Die Trainees bearbeiten je vier Monate in verschiedenen Märkten bestimmte Schwerpunktthemen, etwa zu Logistik, Verkauf, Personalführung oder Warenwirtschaft«, erklärt der Recruiting-Experte. Auf die Marktphase folgt ein etwa zweimonatiger Abschnitt in der toom Baumarkt-Zentrale. Hier lernen die Trainees für den Vertrieb wichtige Schnittstellen kennen und entdecken Zusammenhänge, etwa zwischen Marketing, Category Management (Strukturierung einer Filiale) und der Markt-
organisation.

Wer im Handel arbeitet, wird schlecht bezahlt – ein Klischee, dass sich zu Unrecht bei vielen hält. Ok, mit durchschnittlich 34.000 Euro Brutto-Einstiegsgehalt im Jahr ist man als Handelsneuling zwar nicht gerade ein Großverdiener (zum Vergleich: Berufseinsteiger in der Chemiebranche bekommen rund 45.000 Euro). Allerdings spielen viele Faktoren dabei eine wichtige Rolle. Was hat man studiert? Hat man einen Bachelor oder bereits einen Master? Wie groß ist das Unternehmen? Und: Wer sich gut macht und seinen Chef überzeugt, kann im Handel beispiellos schnell und steil aufsteigen, schon mit Ende 20 reichlich Mitarbeiterverantwortung übernehmen und sein Gehalt gehörig steigern.

Es muss nicht immer BWL sein

Andreas Schenkel hat seinen Chef überzeugt und gehört zu einem Trend im Handel, der das Modell »Karriere durch Lehre« so langsam vom Sockel stürzt. Denn neun Prozent der Angestellten haben laut Handelsverband Deutschland (HDE) heute einen Hochschulabschluss. Tendenz: steigend. Vor 15 Jahren lag diese Quote noch bei fünf Prozent. Bei den Führungskräften besitzen aktuell schon 16 Prozent ausschließlich einen akademischen Abschluss.

Die Assoziation »Handel = Regale einräumen und Paletten stapeln« stimmt daher so schon lange nicht mehr. Viel zu komplex, schnell und international – die REWE Group ist beispielweise in 20 europäischen Ländern vertreten – gestaltet sich der Handel von heute. Das erhöht auch die Anforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte. Und diese müssen nicht zwangsläufig Wirtschaft studiert haben. Juristen und Psychologen arbeiten in Personalabteilungen, Geisteswissenschaftler im Marketing, Textilingenieure im Bereich Mode, Informatiker im Online-Handel und Architekten entwerfen neue Filialen.

Trainees wird viel zugetraut

Obwohl Florian Conrads zwar BWL studiert hat, war es vielleicht sein geisteswissenschaftliches Zweitfach, das ihn für seinen heutigen Arbeitgeber besonders interessant machte. Denn Japanologie passte für UNIQLO, den gemessen am Umsatz größten japanischen Bekleidungseinzelhändler, wie die Faust aufs Auge.

Mit gerade einmal 29 Jahren leitet er heute eine Filiale des hippen Modeunternehmens in Berlin-Mitte. Wie Andreas Schenkel war auch Florian Conrads in puncto Handel vorgeprägt: Seine Familie betrieb einen Supermarkt.

»Nach dem Studium bewarb ich mich auf mehrere Traineeprogramme«, erzählt Florian Conrads, der zuvor auch schon in einer Drogerie gejobbt hatte und schließlich das Store Managemenent-Traineeprogramm bei UNIQLO durchlief. »UNIQLO passte! Ich kannte die Marke schon länger aus Japan und die Affinität für dieses Land hat meine Entscheidung sicherlich beeinflusst.« UNIQLO bietet Markenkleidung auf günstigem Preisniveau und hat weltweit etwa 30.000 Mitarbeiter.

Wie bei Andreas Schenkels Traineeship und für Florian Conrads überraschend war die frühzeitige Übertragung wichtiger Aufgaben: »Schon nach einem halben Jahr war ich stellvertretender Filialleiter, habe Verträge vorbereitet und war mitverantwortlich für Personalentscheidungen.«

Hands-on-Mentalität erwünscht

Der perfekte UNIQLO-Trainee hat für Florian Conrads eine Hands-On-Mentalität, handelt lösungsorientiert, kann flexibel auf unerwartete Situationen reagieren und hat Verständnis für Zahlen und Wirtschaft. Gefragt sei nicht zuletzt auch eine positive und empathische Einstellung gegenüber Kollegen und Kunden.

Am Traineeprogramm wie am jetzigen Job gefällt Florian Conrads die Vielseitigkeit. »Jeder Tag ist anders. Mal geht es um die Analyse von Verkaufszahlen, dann bin ich auf der Shopfläche im Kundenkontakt oder plane Layouts für die Ladenfläche.«

Internationale Karrierechancen

Perspektivisch können ehemalige UNIQLO-Trainees nach einer Zeit als Store Manager zum Area Manager aufsteigen oder Führungsaufgaben in anderen Unternehmensfeldern bekleiden, etwa im Marketing oder HR-Bereich.

Die Trainees starten als Sales Adviser, also Verkäufer in einem UNIQLO-Shop und lernen das Tagesgeschäft von der Pike auf. Der Store gilt als Herzstück des Konzerns. »Es gehört zur Unternehmensphilosophie, dass spätere Store Manager alle Abläufe im Detail kennenlernen«, erklärt Julia Lattemann, HR Business Partner im Personal-Management bei UNIQLO. »In den ersten drei Monaten übernehmen sie alle dazugehörigen Aufgaben, von der Warenannahme über die Kasse und den Kundenservice bis hin zum korrekten Falten der Kleidung.« Im weiteren Verlauf übernehmen die Trainees koordinierende Management-Funktionen, indem sie etwa Arbeitspläne schmieden oder sich Controlling-Aufgaben widmen.

Auch in London oder Paris können sich Hochschulabsvolventen aus Deutschland zum Store Manager ausbilden lassen. Gutes Englisch und das Beherrschen der Landessprache im Ausbildungsland sind Pflicht. Und sonst? »Wir erwarten von Trainees Mobilität, speziell die Bereitschaft, später Stores zu leiten, in denen wir sie benötigen«, so Julia Lattemann. Florian Conrads würde in den nächsten Jahren gern in Deutschland bleiben. Für UNIQLO ein noch recht neuer Markt. Aber auch ein späterer Wechsel ins Ausland – für ihn durchaus verlockend.

Obwohl der boomende E-Commerce vor allem kleineren Läden mehr und mehr zu schaffen macht: Den großen Unternehmen des stationären Einzelhandels geht es noch immer gut. So betrug der Jahresumsatz 2015 im deutschen Einzelhandel über 472 Milliarden Euro – rund 14 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Auch die Studie »Trends im Handel 2020«, herausgegeben von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und dem EHI Retail Institute, prognostiziert, dass Müsli und das Sixpack Bier, Pflanzen und Wandfarbe, Jeans und Lippenstift auch in Zukunft am liebsten vor Ort gekauft werden. Die Grundlage für gute Karriereaussichten von Jungakademiker, die wissen wollen, wie der Laden läuft.


Hochschulabsolventen bietet der Handel eine Vielzahl von Karriere-Optionen. Traineeprogramme zum Beispiel.

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