Als Trend- und Zukunftsforscher werde ich im universitären Umfeld meistens nach der “garantiert zukunftssicheren Ausbildung” gefragt. In welchen Berufen wird man “in Zukunft” mit Sicherheit gutes Geld verdienen? Welche Studiengänge führen garantiert zum Erfolg? Verständliche, aber völlig falsche Fragen. Denn eine “Aus-Bildung” gibt es in Zukunft nicht mehr. Jedenfalls nicht im alten Sinne, als Lebensgarantie und Erfolgsversicherung.
Wenn ich in meinem heutigen Berufsfeld Umschau halte - nach dem Kriterium: Wer hat Erfolg und wer keinen? - finde ich dabei einen klaren Trend: den Trend zu Umwegen, Seiteneinstiegen, Neuanfängen. Etwa zwei Drittel meiner Freunde und Bekannten, die heute beruflich ”ihr Ding” gefunden haben, hatten etwas völlig anderes studiert. Ich kenne Unternehmensberater, die Philosophie studiert haben, Linguisten, die in Chefpositionen bei großen Firmen arbeiten und ehemalige Studenten der Romanistik, die jetzt Startup-Firmenchefs sind.
Ich kenne auch einige, die sehr unglücklich sind in einem Beruf, den sie von Anfang an bildungstechnisch durchgeplant hatten. Zum Beispiel im Bankwesen.
In einer Arbeitswelt der Zukunft wird es die festen Berufs- und Bildungsabgrenzungen der Vergangenheit nicht mehr geben. Die Komplexität der Welt führt zu ständig neuen Berufs-Synthesen. Ein guter Freund nennt sich heute “Chief Evolution Officer”. Ich selbst bin Kulturanthropologe, Autor, Unternehmensberater und bisweilen auch Unterhalter. Ich kenne aber auch hochgradig bildungsaffine Handwerker, die ihre Leidenschaft in einer künstlerischen Tätigkeit gefunden haben, obwohl sie den Kopf voller Bücher und Theoreme haben. Geht beides!
Fragen stellen. Neugierig bleiben. Kritisch sein, ohne “kritizistisch” zu sein (also an allem herumzunörgeln und zu jammern). Auf verschiedenen Denk-Ebenen die Welt verstehen. Vor allem: Sich selbst, die eigenen Motive erkennen und erforschen! In der Unternehmenswelt der Zukunft sind diese “Qualifikationen” heiß gefragt. Das heißt nicht, dass es vollkommen wurst ist, was man studiert. Aber wer Schein nach Schein herunterzieht und am Ende nur noch für den “Abschluss” lebt, der wird sich einreihen in das endlose Heer derjenigen, die immer noch außengesteuert in Karrieren ziehen, die längst nicht mehr existieren. Wo mehr Wandel ist, kann nur Talent eine Antwort sein. Jeder hat ein inneres Talent, eine Energie-Ader, einen inneren Motivations-Kern. “Work in the future is the passion which pays for itself”, formulierte der weise Managementberater Charles Handy. Drastisch übersetzt: Wer “sein Ding” nicht findet, wird garantiert unglücklich und erfolglos.
Matthias Horx arbeitet seit 20 Jahren in der Trend- und Zukunftsforschung. Sein 1999 gegründetes “Zukunftsinstitut” berät und irritiert viele große Unternehmen. Er lehrt an verschiedenen Universitäten als Dozent Prognostik und Früherkennung.
Foto: Klaus Vyhnalek
Werde du selbst! Tipps vom Zukunftsforscher für die Suche nach der eigenen Karriere.