Wahl an der Uni Köln

Wahltag an der Uni - und keiner geht hin

An der Universität zu Köln sind fast 50.000 Studierende aufgerufen, ihr Studierendenparlament zu wählen, doch die wenigsten geben ihre Stimme ab. Eine Spurensuche nach den Gründen für die geringe Wahlbeteiligung.

Irgendetwas ist anders an der Universität zu Köln: Über Nacht wurde das Philosophikum und das Hörsaalgebäude mit Wahlplakaten tapeziert, dass von den Wänden fast nichts mehr zu sehen ist. Statt Partyflyern bekommen die Studierenden Wahlempfehlungen in die Hände gedrückt. Der Grund dafür: Jedes Jahr im Dezember dürfen alle Ersthörer wählen: Das Studierendenparlament, die Fakultätsvertretung und den SHK-Rat sowie die studentischen Vertreter im Senat, in der Engeren Fakultät und in der Gleichstellungskommission.

Aufklärungsarbeit für mehr Wahlbeteiligung

Das Problem: Kaum einer geht wählen. Gerade einmal 14,7 Prozent der Studierenden haben im vergangenen Jahr ihre Kreuzchen gemacht – und das ist im Vergleich zu anderen Unis in NRW schon ein Spitzenwert. Dabei geben sich die politischen Hochschulgruppen und Fachschaften alle Mühe, ihre Kommilitonen zur Wahl zu bewegen. Sie kämpfen um jede Stimme, indem sie darüber aufklären, was überhaupt gewählt wird.

„Das Studierendenparlament, kurz StuPa, entscheidet immerhin über 19,5 Millionen Euro Semesterbeiträge“, erklärt Nicholas Hellmann. Der 22-jährige Student steht auf der Liste der Juso-Hochschulgruppe Köln. Außerdem ist er beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Kaum jemand interessiert sich für die Arbeit des AStA

„Kaum jemand weiß, wo der Semesterbeitrag hingeht. Die wenigsten wissen, dass die Studierenden darauf Einfluss nehmen können“, sagt Nicholas. Es scheint ein Teufelskreislauf zu sein: Weil viele gar nicht wissen, was das StuPa macht, interessieren sie sich auch nicht für dessen Arbeit. Weil sie nicht wissen, was im StuPa passiert, ist ihnen die Wahl egal.

In der Wahlwoche erklärt Nicholas den meisten Studierenden, die an einem der Wahlstände vorbeikommen, erst einmal worum es geht: Dass im StuPa 51 Vertreter sitzen, die den AStA wählen. Dass die Fakultätsvertretung sozusagen das StuPa auf Fakultätsebene ist, die Probleme an der Fakultät bespricht. Dass im Senat neben Professoren und anderen Universitätsmitarbeitern auch drei gewählte Studierendenvertreter sitzen. Dass der SHK-Rat die Interessen der studentischen Hilfskräfte gegenüber der Universität vertritt.

Dabei versucht der AStA, also die „Exekutive“ des Parlaments und offizielle Außenvertretung, über seine Arbeit zu informieren – früher etwa über das AStA-Magazin „Vorlaut“. Doch das wurde viel gedruckt, aber auch viel geschreddert. Die meisten Exemplare landeten im Müll, weshalb sich die Öffentlichkeitsarbeit hauptsächlich in die sozialen Netzwerke verlagert hat.

Ziemlich kompliziert: Sieben Stimmen auf sieben Wahlzetteln

Eigentlich sollte man doch meinen, dass vor allem angehende Akademiker politisch interessiert sind. Doch anscheinend wollen viele der fast 50.000 Studenten an der Uni Köln gar nicht wissen, was an ihrer Hochschule los ist. „Viele Studis haben wohl das Gefühl, hier nur mal schnell studieren zu wollen“, erklärt sich Nicholas die geringe Wahlbeteiligung. „Sie wollen diese Dienstleistung abrufen und sehen die Universität nicht als eine Institution, die sie mitgestalten können.“

Dazu kommt, gibt Nicholas zu, dass die Wahlen „zu voluminös und in der Kürze der Zeit gar nicht zu erfassen“ sind. Statt wie bei der Bundestagswahl zwei Stimmen auf einem Wahlzettel zu vergeben, bekommen Studenten an der Uni Köln sieben Zettel in die Hand gedrückt. Der größte von ihnen hat A2-Format.

Warum Lukas wählt? „Weil es um mein Geld geht“

Das hören auch die Wahlhelfer an den Urnen. „Viele wundern sich über die Größe der Blätter“, sagt eine von ihnen. „Aber ansonsten haben sie einen ziemlich genauen Plan über die Wahl. Sie wissen, wen sie wählen, bevor sie an die Urne kommen.“

So wie Lukas Sieper, der gerade seine Stimme abgegeben hat. Natürlich habe er gewählt, sagt er. „Weil es um mein Geld geht. Und weil Demokratie wichtig ist. Das ist doch eigentlich gesunder Menschenverstand, oder?“, meint Lukas, der im ersten Semester Jura studiert.

Von der Wahl hat er über seine Fachschaft erfahren. Doch auch Lukas findet, dass die Stimmabgabe zu unübersichtlich ist. „Da stehen ungefähr 40.000 Namen auf dem Zettel. Das ist total wahnsinnig.“

66 Prozent Wahlbeteiligung – weil ein VW Käfer verlost wurde

Statt mit informativen Worten, versuchen Andere durch leckere Taten zu überzeugen: „Das Original – Liste von Fachschaften“ verteilt an alle Wähler Waffeln und Kakao. Ein paar Meter weiter gibt es Glühwein für jede Stimmabgabe, anscheinend mit Erfolg. „Du wärst überrascht, wenn du wüsstest, wie viele nur deshalb gerade um die Ecke zur Wahlurne gegangen sind“, sagt eine Betreuerin des Standes.

Studenten verkaufen Glühwein

Dass Studenten sich von solchen Geschenken überzeugen lassen, hat die Kölner Uni-Wahl im Jahr 1966 eindrücklich bewiesen. Damals verloste ein Autohaus einen rubinroten VW Käfer 1300 unter allen Wählern. Das Resultat war die phänomenale und nie wieder erreichte Wahlbeteiligung von 66 Prozent.

Statt mit einem Auto müssen die politischen Hochschulgruppen heute mit Inhalten punkten. Abschaffung der Latinumspflicht, mehr bezahlbarer Wohnraum, Rechtsanspruch auf einen Masterplatz sind einige der Themen. Doch auch Unisex-Toiletten werden gefordert – oder versucht zu verhindern. Außerdem soll die Mayonnaise in der Mensa nicht mehr extra kosten, findet die Campus Union – Junge Union.

„Irgendwie sind das ja schon Themen, die uns betreffen“

Auf diese Themen und die Uni-Wahlen überhaupt angesprochen, reagieren die Studentinnen Nina und Kathy erst einmal überrascht. „Ach, ich habe mich schon gewundert, was hier los ist“, sagt Nina, die im zweiten Semester Englisch sowie Religion auf Lehramt studiert und mit ihrer Kommilitonin im Philosophikum sitzt. „Ich habe gar keinen Plan davon“, gibt sie zu, und Kathy stimmt ihr nickend zu. „Ich wusste nicht, dass es das gibt“, sagt sie über die Uni-Wahlen.

Wofür das StuPa überhaupt zuständig ist oder wie das Gremium arbeitet, weiß sie ebenfalls nicht. „Was der AStA macht, könnte ich mir wohl noch so zusammenreimen“, sagt sie zögerlich. Plötzlich lesen die beiden die Wahlplakate, die überall um sie herumhängen. „Ja, irgendwie sind das ja schon Themen, die uns betreffen“, sagt Nina, die im zweiten Semester Sonderpädagogik studiert. Auch wenn Politik „nicht das Thema Nummer Eins ist“, wie sie sagt, will sie sich jetzt doch über die Wahl informieren. „Das scheint ja doch ganz sinnvoll zu sein.“

Bilder: Fabian Schäfer


An der Universität zu Köln sind fast 50.000 Studierende aufgerufen, ihr Studierendenparlament zu wählen.

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