Sie retten Flüchtlinge aus dem Mittelmeer, entwickeln sinnvolle Apps oder machen mit kreativen Ideen Alltagsprobleme kleiner: Wir stellen Studierende vor, die durch ihr Engagement die Welt ein Stück besser machen.
Sema entwirft Mode „auf Augenhöhe“
„Meine größte Inspiration ist meine Cousine Funda“, sagt Studentin und Modedesignerin Sema über ihre Arbeit. „Sie liebt schöne Kleider, hat aber als Kleinwüchsige Probleme, hübsche, modische Sachen zu bekommen.“ Dem will Sema mit ihrer Kollektion Abhilfe schaffen. Unter ihrem Label „Auf Augenhöhe“ entwirft sie Mode für Kleinwüchsige. „Das Wichtigste dabei ist, die Körperform zu verstehen. Die Proportionen sind anders als bei Menschen ohne Kleinwuchs, das macht die Schnittführung kompliziert.“ Sie plant deshalb, die erste internationale Konfektionsgrößentabelle für Kleinwüchsige zu erstellen und vermisst dafür kleinwüchsige Menschen in Deutschland und im Ausland.
„Ich will allen Menschen jenseits der Normgrößen endlich die Chance geben, Mode von der Stange zu kaufen, die passt. Nicht nur die üblichen Outfits, sondern auch Schuhe, Handschuhe, Strumpfhosen – und Brautkleider.“ Die Resonanz sei überwältigend, berichtet die 26-Jährige, die derzeit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin ihren Master in Modedesign und Bekleidungstechnik macht. „Mittlerweile kommen selbst Eltern kleinwüchsiger Kinder auf mich zu und erkundigen sich nach Kleidung für ihren Nachwuchs. Und ich erhalte immer mehr Anfragen aus dem Ausland, ob und wo man meine Kleidung kaufen kann. Allerdings bin ich noch mitten im Entwicklungsprozess und arbeite an der Optimierung der Schnitte.“
Anschließend ist auch eine Vermarktung geplant, unter anderem über einen Online-Shop und den Einzelhandel. Derzeit ist sie auf der Suche nach Sponsoren und freut sich über jeden, der sie bei ihrem Vorhaben unterstützen will. „Mir ist der soziale Aspekt meiner Arbeit wichtig. Ich will bewusst Mode schaffen, die nicht nur die reine Oberflächenästhetik bedient, sondern einen Sinn ergibt.“
Isa rettet Flüchtlinge vor dem Ertrinken
„2016 ist schon jetzt das tödlichste Jahr auf dem Mittelmeer. Die europäischen Regierungen und die Gesellschaft ignorieren dieses Problem weitestgehend“, sagt Isa von dem Verein „Jugend Rettet“. „Wir wollen dieser Lage etwas ganz Konkretes und dringend Notwendiges entgegensetzen.“ Deshalb hat der Verein im Mai ein Schiff gekauft, eine Crew zusammengestellt und ist seitdem auf dem Mittelmeer zwischen Libyen und Italien unterwegs, um Flüchtlinge, die diese Route nutzen, um nach Europa zu gelangen, vor dem Ertrinken zu retten.
Studierende auf Rettungsmission im Mittelmeer
Als im April 2015 bei einem Bootsunglück vor der libyschen Küste Hunderte Flüchtlinge ihr Leben verloren, beschlossen die beiden Gründer und Vorsitzenden von „Jugend Rettet“, Lena Waldhoff und Jakob Schoen, etwas gegen das Sterben auf dem Mittelmeer zu unternehmen. Über private Kontakte und Vereinstreffen fanden die Mitglieder des Kernteams zusammen, das aus zehn Studierenden und Absolventen verschiedener Fachrichtungen besteht. Bei der Planung konnten sie auf die Expertise von Greenpeace, anderen privaten Seenotrettungsorganisationen, der Bundeswehr und den Behörden in Lampedusa zurückgreifen.
Aktuell läuft die siebte Rettungsmission in diesem Jahr. Sowohl die Helfer, die von Berlin aus die Missionen koordinieren, als auch die Crew auf dem holländischen Fischtrawler, den die Studenten umgebaut und IUVENTA (lateinisch für „Jugend“) getauft haben, arbeiten ehrenamtlich. Auch einige Mitglieder von „Jugend Rettet“ sind gemeinsam mit der erfahrenen Besatzung, die hauptsächlich aus Nautikern und Ärzten besteht, unterwegs. Nach der ersten Woche im Einsatzgebiet konnten sie 1.228 Menschen in Seenot retten.
Der Verein will Europas Politiker zum Handeln bewegen
Innerhalb der letzten eineinhalb Jahre ist es dem Verein außerdem gelungen, ein Botschafter-Netzwerk mit über 50 Engagierten in ganz Europa aufzubauen. „Wir versuchen, mit unserer politischen Arbeit Druck auf die europäische Politik auszuüben, da wir die von uns ausgeführte Aufgabe eigentlich als eine staatliche begreifen und nicht als eine, die von Studentinnen und Studenten durchgeführt werden muss“, sagt Isa, die in Potsdam Germanistik und Soziologie studiert. „Studium, Job und die Vereinsarbeit unter einen Hut zu bringen ist für uns alle eine große Herausforderung. Es kommt nicht selten vor, dass wir stark belastet sind und nur schwer genug Zeit für alle Aufgaben finden. Manchmal leidet dann auch das Studium oder der Job.“
Ohne die Unterstützung durch Spenden wäre die Arbeit des Vereins nicht denkbar. Aktuell sammeln Isa und die anderen Helfer Geld, um im Winter Umbaumaßnahmen am Schiff durchführen zu lassen, damit es im Frühjahr wieder von Malta aus in See stechen kann. „Wir alle glauben daran, dass man, wenn man wirklich etwas verändern will oder mit der politischen Lage in seinem Land unzufrieden ist, dies auch erreichen kann“, so die 24-Jährige.
Praktikantin Manuela ist als Hoffnungsträgerin unterwegs
„Ich bin in Deutschland sehr privilegiert aufgewachsen, in Frieden, mit aller nötigen Versorgung und in einer intakten Familie“, sagt Manuela. Dass dies in vielen Teilen der Welt ganz anders aussieht, habe ihr erst ein Aufenthalt fern der Heimat so richtig vor Augen geführt. „In meinem Auslandsjahr im afrikanischen Sambia wurde mir bewusst, wie gut es mir geht“, so die 23-Jährige, die an der Hochschule Heilbronn BWL und Sozialmanagement studiert.
Sich engagieren und helfen, etwas zu verändern, das wollte sie danach – als Praktikantin bei „Hoffnungsträger“ hat sie genau diese Möglichkeit gefunden. Nach dem Motto „Nicht nur labern, machen!“ engagiert sich die Stiftung seit 2013 für Menschen in Not, bietet Hilfe für Kinder von Strafgefangenen im Ausland, richtet Hoffnungshäuser ein für Flüchtlinge sowie Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten Deutschlands.
Patenschaften können auch im Team übernommen werden
Neben ihrem Praktikum, bei dem Manuela ihre Kolleginnen vor allem im Bereich Finanzen und Spenderkommunikation unterstützt, hat sie auch selbst eine Patenschaft übernommen. „Zusammen mit meinen beiden WG-Mitbewohnern habe ich eine Teampatenschaft. Unser Patenkind heißt Keiner, ist drei Jahre alt und kommt aus Kolumbien. Sein Vater ist seit einigen Jahren im Gefängnis, weshalb es für seine Mutter sehr schwierig ist, ihn und seine Geschwister zu versorgen. Mit unserer Patenschaft ist seine Ernährung, medizinische Versorgung, Bildung und seelsorgerische Unterstützung sichergestellt.“
Was sie gern nach ihrem Studium machen würde? Auf jeden Fall weiterhin einen Beitrag leisten, um die Welt ein bisschen besser zu machen. „Einen tieferen Sinn hinter meiner Arbeit zu sehen – das ist mir total wichtig“, sagt die Studentin.
Florian entwickelte einen treppensteigenden Rennrollstuhl
Mit dem Rollstuhl die Treppe nehmen? Klingt abwegig, doch Machinentechnikstudent Florian hat’s möglich gemacht. Gemeinsam mit einem Studententeam der Hochschule für Technik in Rapperswil in der Schweiz ist der 26-Jährige im Herbst beim ersten Cybathlon angetreten. Bei dem internationalen Wettbewerb, der von der ETH Zürich organisiert wurde, treten Teilnehmer mit körperlichen Behinderungen in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Dazu gehört auch ein Parcours mit Hindernissen, denen Rollstuhlfahrer tagtäglich begegnen.
Die Gefährte der Teilnehmer sind alles andere als gewöhnlich: Sie werden von den Teams so ausgerüstet, dass sie auch steile Rampen, unebene Untergründe oder Treppenstufen meistern können. „Beim Cybathlon geht es nicht nur darum, mit technischen Mitteln Hindernisse aus dem Alltag zu überwinden – sondern auch darum, das öffentliche Interesse zu wecken und die Entwicklung solcher Hilfsmittel zu beschleunigen“, erklärt Florian, der sich in seinem Studium auf die Fachrichtung Mechatronik und Robotik spezialisiert hat.
Entwicklung in nur 16 Wochen
„Unser Ziel war es, dass unser Pilot Florian Hauser einen unvergesslichen Tag erlebt. Wir haben aufgrund der sehr geringen Entwicklungszeit aber niemals damit gerechnet, so erfolgreich zu sein.“ Florian hat den Treppensteigmechanismus entwickelt, mit dem sich das Team am Ende den ersten Platz in seiner Disziplin sichern konnte. „Die größte Herausforderung war die kurze Entwicklungszeit. In nur 16 Wochen haben wir das Funktionsmuster unseres Rennrollstuhls entworfen und aufgebaut. Da durften wir uns keine Fehler erlauben, alles musste von Anfang an funktionieren.“
Wie das gelungen ist? „Unser gemeinsames Ziel, die Welt für Menschen mit körperlicher Behinderung ein Stück besser zu machen, hat uns alle motiviert.“
Jonathan verbessert die Wasserversorgung in Tansania
Nach dem Zivildienst suchte Jonathan nach einer Möglichkeit, sich weiterhin gesellschaftlich zu engagieren – und stieß auf „Ingenieure ohne Grenzen“. Seit sieben Jahren ist er für die Organisation aktiv. Warum? „Weil ich überzeugt bin, dass wir mit angepasster Technologie die Lebensbedingungen anderer Menschen langfristig verbessern können.“ Von Berlin aus arbeitet Jonathan aktuell an drei Wasserprojekten in Tansania und Uganda mit. „In dem Projekt, das ich koordiniere, bauen wir gemeinsam mit unserer tansanischen Partnerorganisation die Wasserversorgung für ein Mädcheninternat auf", erzählt er.
„Gemeinsam haben wir die Bauweise der Regenzisternen so weiterentwickelt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner sauberes Wasser in langlebigen Behältern direkt am Haus sammeln können. Das entlastet vor allem Kinder und Frauen, die traditionell für das Wasserholen zuständig sind und dabei viel Zeit aufwenden, die ihnen zum Lernen und Arbeiten fehlt“, erklärt der 27-Jährige, der in Berlin Wirtschaftsingenieurwesen studiert.
Das Ziel: Die Unabhängigkeit der Partnerorganisation
Treten technische Herausforderungen auf, werden diese bei Reisen in die Projektregion oder mit Hilfe von Skype oder E-Mail gelöst. Jonathan und den anderen Ingenieuren geht es nicht nur darum, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern. „Unser großes Ziel ist es, uns gewissermaßen überflüssig zu machen, sodass unsere tansanische Partnerorganisation irgendwann unabhängig von uns ist. Im Idealfall soll die örtliche Wasserversorgung von selbst weiterbestehen und wachsen, so dass immer mehr Menschen mehr Zeit und Geld für Bildung haben.“
Übrigens: Nicht nur Ingenieure, sondern Studenten aller Fachrichtungen können sich in der Hilfsorganisation engagieren.
Andrea macht ihre Uni nachhaltiger
Zwei Jahre lang haben Andrea (links im Bild) und ihre Kommilitonen darauf hingearbeitet, jetzt ist es endlich soweit: Auf dem Dach der Zentralbibliothek der Technischen Universität Berlin wird die von ihnen geplante Photovoltaik-Anlage installiert. Den Solarstrom, der in Zukunft durch die Anlage erzeugt wird, kauft die Uni und nutzt ihn, um einen Teil ihres Energiebedarfs zu decken.
Das Projekt haben die Studenten „Sonne fördert Bildung“ getauft. Denn das Geld, das sie mit der Anlage erwirtschaften, geht an gemeinnützige Bildungsprojekte im Bereich Umwelttechnik und erneuerbare Energien. „Die TU hat viele ungenutzte Dachflächen und einen hohen Energiebedarf. Unsere Vision ist es, diesen Bedarf irgendwann vollständig durch erneuerbare Energie zu decken“, sagt die angehende Wirtschaftsingenieurin.
Um das Ziel zu erreichen, braucht es Durchsetzungsvermögen
Die Idee zum Projekt ist in einem Seminar zum Thema Energie entstanden. Nachdem sie eine Machbarkeitsstudie durchgeführt haben, erstellten Andrea und die anderen Projektmitglieder ein Projektkonzept und gründeten den gemeinnützigen Verein „Solar Powers“. Als Vorstandsvorsitzende des Vereins kümmert sie sich unter anderem um den Kontakt zu Förderern und Sponsoren. Eins hat die 24-Jährige schnell gelernt: „Die Zusammenarbeit mit einer großen Universität ist oft nicht leicht. Wir haben lange auf die Verträge mit der Uni und auch mit den Unternehmen warten müssen.“
Die Finanzierungsphase ist fast abgeschlossen und vor Kurzem wurde das Team mit dem Studenten-Umweltpreis der Deutschen Umweltstiftung ausgezeichnet. „Unser Konzept könnte auch in Ländern wie meiner Heimat Guatemala helfen, wo die Sonnenstrahlung sehr hoch ist, aber das Bildungsniveau niedriger. Vielleicht mache ich später beruflich etwas in dieser Richtung.“
Daniel hat eine App entwickelt, die Flüchtlingen die Ankunft in Deutschland erleichtert
Als Daniel von einem Kommilitonen gefragt wurde, ob er Lust hätte, an einer App für Flüchtlinge mitzuarbeiten, musste der Software-Engineering-Student nicht lange überlegen. „Ich kann mich sozial engagieren und die Arbeit mit meinem Hobby verbinden“, sagt der 25-Jährige aus München, der in seiner Freizeit seit längerem Apps entwickelt.
Die Integreat-App hilft Flüchtlingen, sich leichter in ihrer Stadt zurechtzufinden und enthält zum Beispiel Informationen zum Asylverfahren. Über ein zentrales System können Kommunen und Städte, Hilfsorganisationen, Verbände sowie Vereine die Anwendung mit aktuellen Informationen befüllen, welche dann auf dem Smartphone abrufbar sind. „Durch die vielen verschiedenen Informationskanäle grenzen wir uns von anderen Anwendungen ab, die den Inhalt selbst liefern. Wir stellen sozusagen das Grundgerüst bereit, dass die Städte dann nach ihren Wünschen einrichten können.“
Die mehrsprachige App kommt gut an: „Angefangen haben wir mit Augsburg als Vorreiter, mittlerweile erreichen uns dutzende Anfragen von anderen Städten. Auch das Feedback der Nutzer ist positiv. Oft helfen sie uns auch, indem sie Texte übersetzen.“ Daniel leitet die mobile Entwicklung und sorgt dafür, dass die App auf allen Smartphones läuft. „In den ersten Monaten haben wir intensiv die Anforderungen erarbeitet und einen ersten Prototypen programmiert.“ Dabei arbeiteten die Entwickler eng mit Kommunen und Geflüchteten zusammen. „Angefangen haben wir mit einem Team aus fünf Leuten, mittlerweile sind wir rund 40 freiwillige Entwickler, Designer, PR-Berater, Übersetzer und Helfer aus den verschiedensten Bereichen.“
Von Flüchtlingshilfe bis App-Entwicklung: Mit ihren Ideen machen Studierende die Welt ein Stück besser.