Kraftklub @Philipp Gladsome

Interview mit Kraftklub

Bild: Philipp Gladsome
​Das Interview führte Friederike Schröter. ​​


Political Correctness ist Kraftklub schnuppe. Wenn die Band aus Chemnitz zwischenmenschliche Schlacht- und gesellschaftliche Problemfelder in ihren Songs zum Thema macht, dann mit ordentlich Überspitzung und Ironie. So auch auf ihrem neuen Album „Keine Nacht für niemand“. Ein Interview mit den drei Bandmitgliedern Felix, Steffen und Max.

LKWs rasen in Menschenmengen, Millionen ertrinken im Mittelmeer, narzistische Herrscher führen mächtige Länder an – wie schwierig ist es, in diesen Zeit Musik zu machen als eine Band, von der die Fans auch eine politische Haltung erwarten?

Felix: Wir haben nicht das Gefühl, sämtliche politischen Themen bei uns unterbringen zu müssen, damit wir einer Art Bildungsauftrag gerecht werden. Am Ende sind wir auch nur eine Popband – wenn auch eine Popband, die zu bestimmten Themen eine Haltung hat. Während wir diese Platte gemacht haben, sind wir zum Beispiel eines Tages aufgewacht – und Donald Trump war Präsident. Aber aktuelle politische Phänomene können wir nur im Nachhinein reflektieren. Deshalb hat ein Song wie „Fenster“ auch schon fast ein totes Schicksal, weil er einfach zu spät kommt. Aber vielleicht hört man dieser Platte später auch an, dass sie genau in dieser Zeit entstanden ist.

Im Song „Fenster“ geht es um jemanden, der wütend auf den Zustand der Gesellschaft ist. Ihr empfehlt ihm, aus dem Fenster zu springen.

Der Song ist inspiriert von den Kommentarspalten bei Spiegel Online. Er handelt von jenen Menschen, die denken, ganz einfache Lösungen für sehr komplexe Probleme parat zu haben und sich den großen, starken Mann herbeisehnen, der sie für sie umsetzt.

Habt ihr da bestimmte politische Gruppen vor Augen?

Nun ja, wir wohnen im Osten der Republik, da begegnet einem täglich ein buntes Spektrum an Gruppierungen, denen man dieses Verhalten zuschreiben könnte. Manche haben das Lied als konkrete Kritik an Reichsbürgern oder Wutbürgern verstanden. Und gerade die Pegida-Leute hätten gerne besonders simple Lösungen für alle Probleme. Und darum geht es.

Wutbürger, Pegida – die Leute scheinen jedenfalls wieder mehr politisiert zu sein. Gibt es gutes und schlechtes politisches Engagement?

Wir würden uns nicht hinstellen und sagen: Deren Weltsicht ist falsch und unsere ist richtig. Die Arroganz zu behaupten, man würde die Wahrheit kennen und könnte für das Volk sprechen, ist ja Teil unserer Kritik. Die sogenannten Wutbürger sind genauso davon überzeugt, im Recht zu sein wie wir. Nichtsdestotrotz können wir natürlich einen Song über dieses Phänomen machen, der das Thema runterbricht. In einer Diskussion würden wir aber nicht zu jemanden sagen: Na, dann spring doch aus dem Fenster, du Idiot.

Wird Deutschlands Jugend denn wieder politischer, wie man so schön sagt?

Ja, vielleicht ist es tatsächlich das einzig Positive, das man dieser ganzen Scheiß-Zeit abgewinnen kann: Dass man sich zumindest nicht mehr hinstellen und sagen kann, ach, ist ja eh alles egal, weil ja alles gut so ist, wie es ist. Seit einigen Jahren kommen interessante Formen von politischem Protest auf, bei denen die Menschen Stellung beziehen – ob zu Flüchtlingen, Trump oder Erdogan. Das ist schon spannend. Auch wir sind mit einem Schlag aus einer Art politischen Lethargie gerissen worden, als auf einmal 30.000 Leute in Dresden mit Deutschlandfahnen auf der Straße standen. Da standen wir daneben und haben uns die Augen gerieben.

Die meisten eurer Songs handeln jedoch von einem ganz anderen Thema: Frauen, Liebe, Liebeskummer – so auch euer neuer Song „Dein Lied“. Wessen (Ex-)Beziehungen werden da ständig verarbeitet?

Das Schöne an der Liebe ist ja, dass sie so unglaublich ambivalent ist. Ihr wohnen so viele positive, aber auch ganz furchtbare schlimme Seiten inne: Schmerz und Leid und Wut und Hass. Mit dem Thema Liebe könnten wir noch 20 Alben füllen. Generell fällt es mir jedoch leichter, über negative Sachen zu schreiben als über positive. Und die Figur des gebrochenen Ex-Freunds wie in „Dein Lied“ hat mich schon immer interessiert. Der Verlassene, der sich einredet: Naja, das Leben bricht zwar zusammen, die Wohnung, der Freundeskreis, alles geht den Bach runter, aber hach, das Leben geht schon weiter, das stört mich doch gar nicht wirklich. Und plötzlich findet er sich in einer Rache-Fantasie wieder wie in „Dein Lied“, in einem totalen Ausbruch, und jeder merkt: Da ist überhaupt nichts reflektiert oder verarbeitet, sondern da ist nur purer Hass, Wut, Schmerz, Verzweiflung. Und natürlich ist diese Figur in dem Moment nicht politisch korrekt, aber sie ist sehr emotional und authentisch.

Wie ist das denn mit euch und den Frauen: Habt ihr viele Groupies oder könnt ihr noch ganz normal Frauen kennenlernen?

Manche Leute können es sich ja nicht vorstellen: Aber es wäre durchaus möglich, dass wir teilweise schon sehr, sehr lange mit bestimmten Frauen zusammen sind und es diesen Backstage-Groupie-Harem vielleicht gar nicht gibt ...

Anderes Thema: Hat eigentlich jemand von euch mal studiert?

Felix: Steffen!

Steffen: Ja, Medientechnik, fast fünf Jahre, danach allerdings abgebrochen. Das bereue ich auch nicht. Aber meine Eltern hätten sich vielleicht über den Abschluss gefreut.

Max: Wenn man total gerne Arzt sein möchte, dann sollte man natürlich gewissenhaft Medizin studieren. Wenn man aber irgendetwas anfängt und gar nicht so richtig weiß, warum, ist es kein Beinbruch, das wieder abzubrechen und sich anders zu orientieren.

Felix: Mit 19 genau zu wissen, was ich studieren möchte – für mich wäre das damals völlig illusorisch gewesen. Irgendwas zu studieren, nur weil es alle anderen auch machen, ist, denke ich, kein guter Plan.

Max: Ja, vielleicht sollte man vorher nochmal ein Jahr abhauen, nachdenken, sich darüber klar werden.


Die Chemnitzer Band über politischen Protest, die Liebe und warum Studienabbruch kein Beinbruch ist.

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