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Ein Spagat zwischen Hörsaal und Büro

Wer mitten im Studium die richtige Business-Idee für eine Unternehmens­gründung hat, steht vor einer echt schwierigen Entscheidung: Weiterstudieren und den Abschluss machen? Studium unterbrechen? Oder gar zweigleisig fahren? Uniglobale sprach mit fünf Gründern aus der IT-Branche, die neben dem Studium vor genau diesen Fragen standen. Im digitalen Umfeld ent­stehen derzeit mehr als anderswo Start-ups. Vorteil: Mehr als einen Computer braucht es vielfach nicht. Nachteil: Gründer müssen schnell sein, denn Nachahmer sind hier besonders fix zur Stelle.

eCommerce-Agentur: Warenkorb

MWO_EinSpagat_FelixBauer_WarenkorbVater Unternehmer, Sohn Unternehmer? Bei Felix Bauer stimmt das und irgendwie war sein Weg daher auch vorgezeichnet. „Mein Vater ist ein großes Vorbild, der mir viele gute Impulse mitgegeben hat“, sagt Bauer. In Hannover führt sein Vorbild erfolgreich einen Verlag und „an ihm habe ich gesehen, wir gut das Unternehmertum funktionieren kann.“ Zwar lernt er bei ihm auch schon früh die Schattenseiten der Selbstständigkeit kennen, nämlich „Unternehmertum bedeutet auch arbeiten, arbeiten, arbeiten“, gleichzeitig lebt ihm sein Vater aber auch vor, dass „man als Unternehmer seine Zeit selbst gestalten und Dinge bewegen kann.“ Dennoch absolviert Bauer zunächst eine Ausbildung zum Mediengestalter in einer kleinen Werbeagentur. Eine Erfahrung, die er nicht missen will, denn es zeigt ihm, was es heißt, im Angestelltenverhältnis sein Geld zu verdienen. Keine gute Zeit für ihn. „Ich habe mich wie in einem Hamsterrad gefühlt“, beschreibt er die Zeit rückblickend. Der gebürtige Hannoveraner bleibt der Branche dennoch treu und studiert Medienwirtschaft an der Hochschule Fresenius, einer privaten Bildungseinrichtung mit nur vier Standorten in Deutschland. Als Student hat sich Bauer dabei nie verstanden. „Ich habe mich immer als Unternehmer gesehen“, sagt er über sich. Parallel zum Studium in Köln gründet er nämlich bereits seinen ersten Online-Shop. „Im Studium war ich noch ohne große Verantwortlichkeiten. Daher war es eine gute Phase, um mich auszuprobieren“, sagt er. Sein Vater habe ihn in dieser Zeit sehr ge- und bestärkt. Über Vertriebskanäle wie eBay und Amazon verkauft er zunächst Bücher, ehe er mit einem eigenen Shop aktiv wird. Dort lernt er das 1×1 des eCommerce: das Implementieren von Zahlungsanbietern in unterschiedliche Shopsysteme, Shopdesign, Suchmaschinenoptimierung, SEA, Newsletter, Preisgestaltung und Marketing. Vor allem merkt er, wie Gründung auch in der Nische funktionieren kann. Themen, die der 29-jährige in seinem eigenen Unternehmen heute tagtäglich braucht. Sein Start-up warenkorb.com, vor zwei Jahren gegründet, berät als Full-Service Agentur Online-Händler in ihren Projekten und will dabei helfen, diese im Internet erfolgreich zu machen. Seinen Mitgründer lernt Bauer seinerzeit während des Studiums kennen. Ein Glücksgriff. Denn „nicht viele Studierende wollten sich selbständig machen, die meisten suchten die Sicherheit im Berufsleben“, weiß Bauer. Unternehmertum, ist sich der Bauer sicher, ist eine Persönlichkeitsfrage, „aber das Feuer dafür muss entfacht werden“. Als Alumni nutzt er nun selbst die Möglichkeiten, Studierende vom Unternehmertum zu begeistern. So, wie es seinerzeit sein Vater tat.

Nachrichtenfilterdienst für Twitter: TAME

MWO_EinSpagat_TorstenMueller_tame„Die Zeit der Produktentwicklung und des Iterierens ist für uns jetzt erst einmal abgeschlossen“, sagt Gründer Torsten Müller (31) von tame. Förderprogramme und Stipendien wolle man jetzt nicht mehr beantragen. „Wir sind derzeit dabei zu prüfen, ob wie etwas geschaffen haben, was der Markt auch annimmt.“ Das ist wichtig, denn das Produkt des Berliner Start-ups hat in den letzten drei Jahren alle Höhen und Tiefen einer Unternehmensgründung erlebt. Kennengelernt hatte Müller seinen Mitgründer bereits während des Studiums. Fach: Journalismus. Die Idee, etwas zu gründen, das Twitter-Nachrichten und -videos für Redaktionen und Journalisten auf Glaubwürdigkeit überprüfen kann, war damals schnell geboren. Ein Entwickler wurde hinzugeholt und in den ersten Wochen wird munter zwischen Hamburg und Berlin hin und her gependelt, zwischen Uni und den Wohnzimmern der Gründer. Es wird so lange an dem Produkt herumgebastelt, bis sie mit dem Prototypen das Exist-Förderprogramm erhalten. Weitere Finanzierungsrunden folgen. Im Herbst letzten Jahres endlich der finale Launch. Die Medien sind begeistert, Nutzer folgen rasch. Doch der erste große Dämpfer dann im Silicon Valley, dem Mekka der weltweiten digitalen Wirtschaft. Mit den großen Playern und Kapitalgebern sollen Netzwerke geknüpft und weiteres Geld eingesammelt werden. Diese Mal: erfolglos. „Erst jetzt geht es ans Eingemachte und kommt dem nahe, was Unternehmertum wahrscheinlich wirklich ausmacht“, sagt er. Aufgeben? Nein, nicht sein Fall. Denn Müller ist auch Sportler, ein sehr guter sogar, sagt er. Fast täglich spielte er vor der Gründung Basketball. Als Mannschaftsportler hat er viel gelernt. Auch, dass ein Spiel eben auch mal kippen kann, ehe man final siegt. Also abwarten und weitermachen. Denn die Gründungseuphorie hält bei ihm nach wie vor an. „Bereits im Studium hatte ich das Gefühl, etwas Eigenes machen zu wollen.“ Er sei, so sagt er, damals nicht ins Studium gestartet, um hinterher im Angestelltenstatus Geld zu verdienen. Wie sich das anfühlt, merkt Müller mit Anfang 20. Da absolviert der Sohn eines Polizisten eine Ausbildung in einer kleinen PR-Agentur im Siegerland. „Wir hatten tolle Projekte und teilweise spannende Sachen gemacht“, sagt er rückblickend, „aber ich spürte, dass ich Dinge gerne anpacke und selber mache. Ich wollte mein eigener Chef sein.“ Die Zeit in der Agentur, so sagt er rückblickend, sei damals prägender gewesen als das Studium. „Die Gründungsmentalität kann man nicht im Studium aufbauen“, ist sich Müller sicher, „die Prägung erfährt man durchs Arbeiten. Das geht meines Wissens allen Gründern so.“ Was also gibt er angehenden Gründern mit auf den Weg? „Neben praktischen Erfahrungen? Vor allem für die richtige Work-Live-Balance sorgen“, sagt Müller und tut es selber. Unlängst heiratete er seine langjährige Freundin. Sein Trauzeugt? Sein Mitgründer und Studienkollege natürlich.

Lern-App für Instrumente: FLOWKEY

Teamfoto_flowkey_original@flowkeyKlavier spielen? Nee, wie langweilig! So haben in der Kindheit viele gedacht, die von ihren Lehrern und Eltern mit Tonleitern und stundenlangem Üben gequält wurden. »Dabei kann Klavierunterricht so viel Spaß machen, wenn man dabei seine Lieblingsstücke lernt«, sagt Jonas Gößling , Gründer von flowkey, einem noch ganz jungen Start-up, mit dessen Hilfe das Klavierspielen sogar ohne Noten erlernt werden kann. Einzige Voraussetzungen: ein Computer und ein Instrument, an dem zu Hause geübt werden kann. »An der Tablet-Version arbeiten wir derzeit noch unter Hochdruck«, sagt der Gründer. Flowkey ist eine Lern-App und funktioniert super einfach: Mithilfe einer speziell entwickelten Darstellungsform werden ausgewählte Klavierstücke je nach Schwierigkeitsgrad angeleitet. Ein Mikrophon am eigenen Endgerät analysiert dabei die eigenen Lernerfolge und wertet diese aus. Das System reagiert dabei auf das Spieltempo des Nutzers, leistet Hilfestellung und empfiehlt gezielte Übungen innerhalb des Stückes. Auf diesem Weg hat auch Gößling selbst bereits einige Klavierstücke erlernt und setzt sich zum Beweis auch gleich an das Studiopiano. Als Kind hat er schon einmal das Instrument gespielt, aber wie es häufig kommt: durch Schule und Studium des Wirtschaftsingenieurwesens blieb das Musizieren auf der Strecke. Sehr zum eigenen Bedauern. Da kam das interdisziplinäre Forschungsprojekt im Masterstudiengang zum Thema videobasiertes eLearning an der TU Berlin gerade richtig. Mit dem Gründungsgedanken im Hinterkopf beantragten er und seine beiden Mitgründer das Exist-Gründerstipendium – und bekamen es! Noch während des Studiums. »Wenn wir während des Exist-Jahres gemerkt hätten, dass die Idee nicht funktioniert, hätten wir den Master weiterstudiert«, sagt Gößling. trotz fehlender unternehmerischer Vorbilder – beide Eltern sind Mediziner – wollte er schon als Kind Firmengründer werden. Noch als Schüler versuchte er sich als Kleinunternehmer – zwar hinter dem Rücken seiner Eltern, aber »schon da habe ich gemerkt, dass man etwas erreichen kann, wenn man sich traut.« Wie es aussieht, liegt er damit richtig, denn im Anschluss an das Stipendium konnte flowkey vier Privatinvestoren überzeugen, in das Unternehmen einzusteigen. Dennoch: Unternehmertum war weder in der Schule noch an der Uni ein Thema. »Studieren, um später eine Firma leiten zu können? Über diese Möglichkeit wurde nur am Rande gesprochen. Was Unternehmertum tatsächlich bedeutet, musste ich erst für mich selbst entdecken.« Die Gelegenheit dazu bekam Gößling über die studentische Unternehmensberatung, das Company Consulting Team (CCT), in Berlin. Mit Beratertätigkeiten für Unternehmen verdiente er sich einerseits gutes Geld fürs Studium, andererseits gab es Einblicke in Betriebsführung quasi für umsonst. »Schnell Informationen aufnehmen und gute Präsentationen erstellen zu können, sind total wichtig«, sagt er. Fähigkeiten, die er auch als Gründer von flowkey braucht. »Diese Zeit hat mich sehr geschult.«

Kochassistent: KOCHBOT

FrederikArnold_Kochbot1Auf die Frage, ob er ein guter Koch sei, antwortet Frederik Arnold mit seiner für ihn typischen Zurückhaltung. Sicher, sagt er, zu Hause in seiner Wohngemeinschaft werde mehr gekocht, als bei anderen Studenten seines Alters. Aber deswegen besser? Irgendwie passt diese abwartend-zurückhaltende Aussage zu dem Studenten. Nach dem Abitur ist er erst einmal verreist. Seine berufliche Perspektive zu dieser Zeit? Noch unklar. Am Theater arbeiten, wäre eine Option gewesen. »Ich spielte am Jugendtheater oder arbeitete dort in der Technik oder als Regieassistent.« Parallel programmiert er bereits erste Online-Pages. Schnell stellt er dabei fest, dass ihn digitale Sprachlösungen besonders reizen. Ob Theater oder Computer – sie haben eines gemeinsam: Sprache & Worte. Daher schreibt sich Arnold für Computerlinguistik an der Universität Saarbrücken ein und beschäftigt sich seither zum einen mit Programmiersprachen, zum anderen aber auch mit Semantik und Phonetik. Vor zwei Jahren im vierten Semester: Vor zwei Jahren stand dann das Praxissemester auf dem Studenplan. »Wir mussten vor ausgewählten Vertretern aus der Wirtschaft einen Kurzvortrag über eine fiktive Idee präsentieren«, erzählt er. Die Geburtsstunde von Kochbot, einer mobilen Küchenhilfe, die nach speziellen Rezepten suchen kann, nachdem die individuellen Vorlieben für Zutaten, Geschmack oder regionale Küche eingegeben wurden. Alles gesteuert rein durch Sprache. Die Idee kommt an. Sie sei realistisch und praxisnah, sagt Arnold. Das findet auch sein damaliger Dozent, der eigentlich am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) forscht. Das DFKI wird Arnold und seine Mitgründer fortan enorm unterstützen. »Spätestens da haben wir gemerkt, dass aus dem Forschungsprojekt mehr werden würde, als ein reines Studienprojekt. Was wir taten, funktionierte«, sagt er rückblickend. Ein Messestand mit einer extra angefertigten Showküche, in der es auf der CeBit dieses Jahres brodelte und brutzelte bestätigt diesen Eindruck. »Dampfende Kochtöpfe lassen jeden neugierig werden«, weiß er. Dennoch: Das Studium unterbrechen wollte Arnold für Kochbot nicht. Erst der Bachelor, dann die Unternehmensgründung. Der Antrag auf das Gründerstipendium dauerte daher auch ein gutes Jahr. Die Bewilligung erwartet Arnold im Herbst. Bis dahin bleibt er entspannt. Angst, andere Gründer könnten mit der Idee an ihm vorbeiziehen, hat er nicht. Die Technik zu kopieren sei nicht so einfach, sagt er. »Ich wollte immer etwas gründen und eigenes machen«, erzählt er. Die voraussichtliche Gründung mit Kochbot soll nächstes Jahr erfolgen. Wenn nicht, dann macht er seinen Master. »Wenn es mit Kochbot nichts wird, werde ich anderes finden. Ich habe so viele Ideen. Im Vordergrund steht bei mir ohnehin nicht das Geld, sondern die Freude daran, Probleme zu lösen.«

Jump ’n’ Run-spiel: MrSkyjump

TimReiter_MrSkyjumpWinter 2013: Wenn Mitstudierende Tim Reiter in den kalten Winterwochen fragen, ob er denn noch Lust auf ein Bierchen oder auf eine Party habe, verneinte der 20-Jährige regelmäßig. Ihn zog es nach den Stunden im Hörsaal nicht in die nächste Kneipe oder Disco, sondern regelmäßig zurück an den Schreibtisch. Geschätzte 300 Stunden wird der Student der Informatik am Institut für Technologie in Karlsruhe (KIT) in den nächsten Wochen bis zum ersten Prototypen dort verbringen. »Ja, das Projekt war schon sehr aufwendig, aber es hat mich einfach nicht mehr losgelassen«, sagt er. Reiter hat ein Spiel für alle mobilen Endgeräte programmiert und es MrSkyjump genannt. Das Besondere an dem Jump ’n’ Run-Geschicklichkeitsspiel ist, dass es sowohl miteinander als auch gegeneinander gespielt werden kann, die Daten und Spielstände werden in einer Cloud gespeichert, synchronisieren sich im Anschluss automatisch und lassen sich daher auf verschiedenen Endgeräten abrufen. »Spieler können daher auf dem Smartphone beginnen und ihr Spiel später auf dem Computer oder an der Spielkonsole fortsetzen«, erklärt Reiter. Gemeinsam mit seinem zweiten Programmierer bewirbt er sich Anfang dieses Jahres für den sogenannten Imagine Cup von Microsoft, ein Technologie-Wettbewerb, der die Projekte von Studenten und Schülern sowie deren Umsetzung auf internationaler Ebene fördern will. »Viele Studierende des KIT nehmen daran teil«, sagt er. Aber nicht alle kommen so weit. Nach mehreren Runden gewinnt er im Frühjahr zunächst die nationale Ausscheidung in Berlin. Als Sieger besteigt er wenige Wochen später ziemlich aufgeregt das Flugzeug zur internationalen Endausscheidung. Zielflughafen: Seattle. Mögliche Siegerprämie: 50.000 US-Dollar und Shakehands mit Bill Gates. Nervenkitzel pur! »Für die englische Präsentation haben wir quasi jeden Satz auswendig gelernt, um unser Projekt perfekt vorstellen zu können«, gibt Reiter zu. Gewonnen hat MrSkyjump dann zwar nicht und Reiter hat auch Bill Gates nicht getroffen, aber ein paar Tage Sightseeing in Seattle waren dennoch drin. Zurück in Deutschland stellt sich nach den Erfahrungen des letzten halben Jahres jetzt aber umso mehr die Frage: Wie geht es nun weiter? »Wir brauchen zum jetzigen Zeitpunkt eine Finanzierung, um Mitarbeiter beschäftigen zu können«, sagt Reiter. Die Chancen für eine Kapitalspritze stehen in Karlsruhe nicht schlecht, denn in der schwäbischen Stadt haben sich Unternehmen angesiedelt, die auf die Entwicklung von Spielen spezialisiert sind. Reiter will nichts unversucht lassen, bleibt aber gelassen. Er arbeitet sich von Etappenziel zu Etappenziel. Next stop: erst den Bachelor, dann den Master machen. Studium für MrSkyjump unterbrechen, gar aufgeben? »Auf keinen Fall«, sagt er, »das Tolle an der Informatik ist doch, dass man schnell eigene Ideen ohne großes Budget umsetzen kann.«

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