Am 19. November findet in Köln der ALICE Juristensummit 2016 statt, ein in Deutschland einmaliger Event rund um die Themen LGBTI, Diversity, Recht und Karriere. Mit dabei ist auch die Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer. Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt, Partner im Bereich Arbeitsrecht, erzählt im Interview über den Wandel in seiner Branche und warum Unternehmen, die Mitarbeitervielfalt – von Herkunft bis sexuelle Orientierung – wertschätzen, langfristig erfolgreicher sind.
UNIGLOBALE: Herr Dr. Hohenstatt, beginnen wir mit einem Klischee: Kanzleien sind konservativ und haben mit Diversity nichts am Hut. Würden Sie dem aus eigener Erfahrung zustimmen oder werden die Roben „bunter“?
Klaus-Stefan Hohenstatt: Es stimmt schon: In einer Anwaltskanzlei geht es anders zu als in einem Theaterensemble oder einer Werbeagentur. Aber Rechtsanwälte sind in der Regel freiheitsliebende und liberale Menschen. Inzwischen kann man zumindest bei den international tätigen Sozietäten von einem LGBT-freundlichen und aufgeschlossenen Klima ausgehen. Die Fortschritte sind nicht zu übersehen!
Spielt es dabei auch eine Rolle, dass Mandanten zunehmend nach Diversity-Programmen fragen, als Voraussetzung für ein Mandat?
Einige unserer Mandanten haben sehr große und aktive LGBT+-Netzwerke, allen voran die Banken und Versicherungen, zunehmend aber auch Industrieunternehmen. In Deutschland kommt es noch nicht so oft vor, dass Dienstleister über ihre Einstellung zu Diversity Rechenschaft ablegen müssen, wie dies in UK und den USA häufig der Fall ist. Bei Freshfields merken wir aber schon, dass unser großes Engagement für LGBT+ von Mandanten ganz überwiegend sehr positiv gesehen wird.
Welche Bedeutung haben dabei Instrumente wie der „Stonewall Top 100“-Index, ein Ranking, das Unternehmen im Hinblick auf LGBT-Gleichstellung bewertet?
Der Index ist in UK sehr populär. Eine großartige Idee! Nahezu alle Unternehmen wollen dort in den Top 100 vertreten sein und geben sich allergrößte Mühe, die vielen Kriterien zu erfüllen, die Stonewall dafür aufstellt. Das schafft das richtige Bewusstsein. Es geht nicht mehr darum, „kein Problem“ mit LGBT+ zu haben, sondern man will beweisen, dass man sich positiv für Diversity einsetzt.
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Warum tun Kanzleien gut daran, offen zu sein und auf eine vielfältige Belegschaft zu setzen? Sind sie dadurch vielleicht wirtschaftlich erfolgreicher?
Vielfalt und Diversity liegen tatsächlich im Eigeninteresse der Unternehmen. Gemischte Teams, bezogen auf Geschlechterverteilung, Herkunft, sexuelle Orientierung und auch Behinderung schaffen eine mehr auf Kollegialität ausgerichtete Atmosphäre. Wer offen er/sie selbst sein kann, ist leistungsfähiger. Im Übrigen: Gute Mitarbeiter und Führungskräfte werden immer knapper – warum sollten erfolgreiche Unternehmen sich von einer so großen und kreativen Gruppe wie den LGBT+ abschotten?
Sie selbst sind in dem LGBT-Netzwerk „Halo“ bei Freshfields aktiv. Welche Rolle spielen solche Netzwerke? Was tun Sie?
„Halo“ heißt „Heiligenschein“ und spielt auf unser Firmenlogo an – den Erzengel Gabriel aus dem Familienwappen der Freshfields. „Halo“ ist das LGBT-Netzwerk bei Freshfields mit rund 100 Mitgliedern. Wir treffen uns regelmäßig, um gemeinsame Aktivitäten zu planen, die Firma bei ihren Diversity-Unternehmungen zu unterstützen, das Recruitment für Freshfields zu unterstützen – und einfach auch als soziale Plattform, auf der wir uns wohlfühlen. Zusätzlich haben wir ein sogar noch größeres Netzwerk von Unterstützern – Friends of LGBT+ –, die wir bei Freshfields „Halo Champions“ nennen. Dies sind weltweit über 130 Anwält/innen und Business Services, die uns bei unseren Aktivitäten unterstützen und dafür sorgen, dass die Offenheit sowie Vielfalt von der gesamten Firma gelebt wird.
Ist das Thema Diversity nur in Großkanzleien (mit US-amerikanischem Hintergrund) ein Thema? Wie sieht es damit in kleinen und mittleren Kanzleien aus?
Ein richtiges Diversity-Programm erfordert schon eine gewisse Größe. Auch in kleinen Firmen gibt es natürlich gelebte Diversity – aber die systematische Förderung dieses Themas findet derzeit fast nur in den internationalen und größeren Firmen statt, die auch davon profitieren, dass sie aus den USA und aus UK beeinflusst sind, wo LGBT+ Netzwerke schon länger eine Selbstverständlichkeit sind.
Haben Sie selbst je – sowohl als Jurastudent als auch heute als Partner – Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht?
In meinem eigenen Umfeld habe ich nahezu ausschließlich sehr positive Erfahrungen gemacht. Diskriminierungen im Sinne einer bewussten Benachteiligung gab es nie. Je offener und selbstbewusster man lebt, desto leichter fällt es auch der Umgebung, positiv damit umzugehen.
Was wäre ein Tipp von Ihnen an einen jungen schwulen Jura-Absolventen, der bald seinen ersten Job antritt: Outen – ja oder nein? Wenn ja: Wie und wann am besten?
Ich wäre da so entspannt wie möglich. Es gibt keinen Grund, darüber schon bei der Einstellung oder am ersten Tag zu sprechen, wenn sich das nicht zufällig aufdrängt. Aber mein Rat wäre schon, früh eine gute Gelegenheit zu suchen, das Thema zu streifen und dem direkten Umfeld einen kleinen Einblick in das eigene Privatleben zu geben. Einfach mal erwähnen, was man mit seinem Partner am Wochenende erlebt hat oder dass man zusammen wohnt. Dann sind die Dinge klar – damit ist allen gedient.
Wünschen Sie sich vielleicht auch manchmal, dass man sich über solche Dinge überhaupt keine Gedanken mehr machen und darüber auch kein Interview mehr führen muss? Denn was hat denn schon die sexuelle Orientierung mit der Fähigkeit zu tun, ein guter Anwalt zu sein?
I couldn’t agree more!
„Die Fortschritte sind nicht zu übersehen!“, meint Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt zum Thema Diversity in der Juristik.