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Ausschwärmen bitte!

Crowdsourcing-Apps wie Streetspotr vermitteln Microjobs, die man im Idealfall – Smartphone und Tablet sei Dank – sogar auf dem Weg zur Uni erledigen kann. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Ein Tag digitaler Schnitzeljagd durch Berlin.

Ich habe Angst vor der Zukunft. Vor dem Arbeitsmarkt, dem richtigen Leben. Noch schwebe ich lieber in meiner kleinen Blase voller Bücher und Rotwein durchs Leben. Doch irgendwann muss sie ja platzen und ich lande hart auf dem Boden der Tatsachen. Ich will das nicht. Ich will vorbereitet sein.

Also lade ich mir die App Streetspotr auf mein Tablet. Dank dieser kann ich Microjobs annehmen, Aufgaben mit einem Lohn von ein paar Euro. Wenig Lohn, wenig Risiko, keine Fallhöhe, perfekt, eine weichere Einführung ins echte Leben kann ich mir gar nicht vorstellen. Account anlegen – und los geht’s.

Eine Karte zeigt, wo das Geld in meiner Umgebung auf der Straße liegt. Ich wähle eine Aufgabe aus, ein Spätkauf, 50 Meter von meiner Wohnung entfernt. In der Beschreibung steht, dass jemand einen Verteiler mit Superschnäppchen für alle Kioske in Berlin aufbauen möchte und dafür dringend aktuelle Kontaktdaten braucht. Ich kann das erledigen – und damit zwei Euro pro Laden verdienen.

Der junge Mann im Kiosk ist erst mal misstrauisch: Telefonnummer, E-Mail-Adresse? Nein, das habe man hier nicht. Hm, und was ist mit den Kontaktdaten vom Chef? Ja, aber der komme erst abends. Mist. Der Traum von den schnellen zwei Euro, die auf meinem Weg zur U-Bahn auf der Straße liegen, ist vorerst ausgeträumt. Aber ich war auf Rückschläge vorbereitet – also weiter auf Schnitzeljagd zum nächsten Kiosk.

Der Schwarm der Streetspotr-Community, der solche Aufgaben erledigt, ist mit rund 325.000 Usern schon zum richtigen Bienenstaat gewachsen. Dorothea Utzt ist die Bienenkönigin in der Mitte, die ihre Drohnen delegiert. 2011 gründete sie Streetspotr mit, nun plant sie die europaweite Expansion. Crowdsourcing, der Mischling aus Crowd und Outsourcing, werde immer besser angenommen. »Personen, die flexibel und technikaffin sind, passen perfekt zu unserem Konzept«, sagt sie. Rund 100.000 Studierende haben sich bei Streetspotr angemeldet und bilden damit ein gutes Drittel der gesamten Community. Der Schwarm fleißiger Helfer summt durch die Straßen, überprüft Auslagen, fotografiert Häuserfassaden, checkt Öffnungszeiten und Speisekarten – oder befragt, wie ich, Kioskmitarbeiter.

Ich suche mir das nächste Ziel auf meiner Karte. Hereinspaziert, und siehe da, was sehe ich da auf dem Tresen prangen? Ein Telefon. Und auch der Mitarbeiter ist Feuer und Flamme für die Idee mit dem Verteiler. Das Problem: Der Kiosk hat keine E-Mail-Adresse. Aber in seinem Eifer verspricht er mir, noch heute eine einzurichten, die er mir dann per SMS zuschicken könne. Ich bin begeistert und schlage ein. Ein Fehler. Nach zwölf Stunden läuft der Job aus, und ich habe immer noch keine Nachricht bekommen. Die nächsten zwei Euro – futsch.

Doch kein Grund zum Aufgeben, vielleicht habe ich einfach nur die harten Jobs bekommen. Denn um die richtig lukrativen Jobs zu ergattern, muss man sich in der Streetspotr-Community erst mal hocharbeiten und Punkte sammeln.
Das Problem: Diese Punkte bringen mich nur bei Streetspotr nach oben, es gibt jedoch noch mehr App-Anbieter dieser Art – aber kein plattformübergreifendes Wertungssystem. Dabei würde das eine klassische Konkurrenzsituation erzeugen: Die Anbieter müssten um die besten User kämpfen, ihnen höhere Löhne anbieten oder spannendere Jobs vermitteln.

Dass es soweit noch nicht gekommen ist, hat vor allem einen Grund: Jede Crowdsourcing-App ist anders. Bei manchen kann man zuhause sitzen und beispielsweise Visitenkarten abtippen, bei anderen begibt man sich auf digitales Microjobbing durch die Stadt.

Neben Streetspotr buhlen Anbieter wie Fiverr, Clickworker, Appjobber und Mechanical Turk von Amazon um die fleißigen Bienchen. Und auch Uber, Airbnb, Helpling und Favor gehören im weitesten Sinne zum digitalen Arbeitsmarkt – sie geben vielen eine neue Art der Verdienstmöglichkeit. Schnell landet man dabei in einer Debatte zwischen Flexibilität und Sicherheit. Auf der einen Seite Technikenthusiasten, die den Arbeitsmarkt des 20. Jahrhundert mit Festanstellung für tot erklären. Auf der anderen Seite Gewerkschaften, die Regeln und Garantien einführen wollen, um die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten, die ihren Lohn hauptsächlich im Internet verdienen.

Auf meiner Schnitzeljagd durch Berlin ändere ich meine Prioritäten: Nicht das schnelle Geld ist mir nun wichtig, sondern Punkte. Fame in der Community, ein hoher Score und die guten Jobs purzeln mir bestimmt in die App. In der Nähe eines Freundes zeigt mir meine Karte zwei Spots an, die direkt nebeneinanderliegen. Ich soll herausbekommen, ob sich an den angegebenen Adressen noch immer Kioske (schon wieder!) befinden. Also ziehe ich los. Im einen hat ein kommunikativer Ladenbesitzer seinen Dönerspieß aufgestellt, im anderen hat sich ein hipper Bioladen eingenistet. Ich tue meine Pflicht: Zweimal Hausfront fotografieren, den Crash-Kurs zum Thema Gentrifizierung verdaut, that’s it.

Am Ende des Tages habe ich zwar nicht mal das Geld für ein Feierabendbierchen verdient, mich aber auf der virtuellen Karriereleiter nach oben gearbeitet und wieder wie ein Schnitzeljäger zu Grundschulzeiten gefühlt. Das richtige Leben quasi, nur in der ‚soft edition’.


Crowdsourcing-Apps wie Streetspotr vermitteln Microjobs, die man im Idealfall – Smartphone und Tablet sei Dank – sogar auf dem Weg zur Uni erledigen kann. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Ein Tag digitaler Schnitzeljagd durch Berlin.

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