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Studieren im Ausland: Frankreich

Universitäten, technische Hochschulen und Elitehochschulen – das französische Studiensystem ist aus deutscher Sicht ziemlich komplex und elitär. Um die Aufnahmeprüfung an einer der renommierten Grandes Écoles zu bestehen, absolvieren französische Abiturienten ein zwei- bis vierjähriges Vorbereitungsstudium – die sogenannte Classe Préparatoire. Nach französischem Laisser-faire klingt das nicht.

Wie leben französische Studenten ihr Studium und wo sehen sie Verbesserungsbedarf? UNIGLOBALE hat dazu Studenten befragt, die durch Sprachkenntnisse, Studienaufenthalte oder Praktika eine persönliche Beziehung zum deutschen Nachbarland haben.

1. Was studierst du und warum hast du dich für dieses Fach entschieden?

2. Welche Unterschiede beobachtest du im Vergleich zum deutschen Studiensystem?

3. Wie sieht das Studentenleben in Frankreich aus?

4. Wie verbringst du die Semesterferien?

Clémence Rottée (20)

1. Ich studiere im sechsten Semester Europastudien an der Universität Paris III – Sorbonne Nouvelle. Davor habe ich einen Abschluss in Angewandte Fremdsprachen Englisch/Deutsch gemacht. Mit meinem jetzigen Studium möchte ich meine Sprachkenntnisse mit Wissen über die europäische Politik, Wirtschaft, Geschichte und Recht ergänzen.

2. Nach Diskussionen mit deutschen Freunden habe ich den Eindruck, dass das deutsche Studiensystem mehr Möglichkeiten bietet, um sich zu orientieren oder neu auszurichten. In Frankreich ist es schwer, sich umzuorientieren. Dem französischen Studiensystem fehlt es an Flexibilität. Wenn man kein klar definiertes Ziel vor sich hat, gerät man schnell ins Abseits.

3. Das Studentenleben ist bestimmt von Kaffeepausen im Bistrot und Barabenden. Man entspannt, hat Spaß, während man über Politik redet. In Paris spielen kulturelle Veranstaltungen eine besondere Rolle.

4. Während der Ferien lerne ich für die Uni. Da es mir mein Studium nicht erlaubt, nebenbei Geld zu verdienen, kann es aber auch passieren, dass ich einen Ferienjob habe oder ein Praktikum mache, um Berufserfahrung zu sammeln.

Alexia Jingand (20)

1. Ich bin im dritten Bachelorjahr an der Sorbonne im Fach Deutsch-Französische Studien eingeschrieben. Davor habe ich ein zweijähriges Vorbereitungsstudium in Deutscher Literatur absolviert.

2. Das deutsche Studiensystem ist sehr viel freier, die Veranstaltungen sind lockerer und die Erwartungen an die Studenten geringer, weil der Lernfortschritt nicht ständig überprüft wird. Vieles beruht auf Freiwilligkeit. In Frankreich dagegen gibt es viele Hausaufgaben und Tests. Das Arbeitspensum lässt leider kaum genügend Platz für Hobbies. Eigenständiges Denken und weniger Arbeit würde es den Studierenden erlauben, tiefgründiges Wissen und Selbständigkeit zu erlangen.

3. Das französische Studentenleben schwankt zwischen finanziellen Schwierigkeiten und Leistungsdruck. Meist ist es schwer, ein Gleichgewicht zwischen Job und Uni zu finden. Dennoch ist das Studium eine besondere Lebensphase, denn man begegnet vielen verschiedenen Menschen und lernt in jedem Semester neue Themen und Forschungsbereiche kennen.

4. Ich kann mich nicht erinnern, Ferien gehabt zu haben, ohne Aufgaben für die Uni erledigen zu müssen. Die Menge variiert jedoch stark. Meist arbeite ich Vollzeit, da das während des Semesters meist nicht möglich ist. Ansonsten bemühe ich mich, zu entspannen und all das zu lesen, wozu ich während der Vorlesungen keine Zeit hatte.

Sergio Camachetty (23)

1. Ich studiere Europarecht an der Université de Lorraine in Nancy. Da ich mehrere Fremdsprachen spreche, wollte ich mein Studium in einen europäischen Kontext einbinden. Am Recht der EU fasziniert mich die Komplexität der verschiedenen Institutionen.

2. Von den vielen Unterschieden zwischen den beiden Ländern hat mich vor allem verblüfft, dass man seine Kurse in Deutschland wählen und sich so spezialisieren kann. In Frankreich ist der Studienverlauf vorgegeben. Auch in Bezug auf den Sprachunterricht gibt es didaktische und methodische Unterschiede. Das deutsche Unterrichtssystem gefällt mir besser, da es den Studierenden mehr Freiheit lässt und sie sich somit entsprechend ihrer Interessen entfalten können. In Frankreich ist uns die Wahl vorgeschrieben, darunter leidet manchmal die Motivation.

3. Das hängt stark von der Studienrichtung ab. Für alle Studenten teilt es sich in Studium und Abendgestaltung. Auch wenn ich kein großer Fan des französischen Studiensystems bin, dieser Rhythmus begünstigt immerhin die Entwicklung der Studenten.

4. Einige Studenten arbeiten während der Ferien, um persönliche Projekte zu realisieren. Urlaube sind ein Luxus, den sich wenige Studenten leisten können. Ich versuche im Sommer zwei Monate zu arbeiten, um den dritten mit meinen Freunden zu verbringen.

Mauranne Collignon (20)

1. Ich studiere im ersten Jahr an der NEOMA Business School (École Supérieure de Commerce) in Reims. Um die Aufnahmeprüfung zu bestehen, habe ich zuvor ein Vorbereitungsstudium in Wirtschaft gemacht. Meine Wahl fiel auf diese Hochschule, da sie renommiert ist und Kontakt zu vielen Unternehmen hat. Außerdem kann ich mich hier spezialisieren, um in die Wirtschaftsprüfung zu gehen.

2. Der größte Unterschied sind die Studiengebühren: An meiner Hochschule bezahle ich 10 000 € im Jahr. In Deutschland wäre das wohl nicht der Fall. Das französische System ist sehr verschult. Im Fremdsprachenunterricht zum Beispiel müssten das Sprechen und der Kontakt zu Muttersprachlern, etwa per Skype, vielmehr im Vordergrund stehen.

3. An meiner Hochschule gibt es viele Möglichkeiten, sich in Vereinen zu organisieren, auch Veranstaltungen und gemeinsame Abende finden regelmäßig statt. Jedoch kann ich daran kaum teilhaben, da ich fast dreißig Stunden in der Woche arbeite, um mein Studium und mein Leben zu finanzieren.

4. An meiner Uni haben wir nur die Hälfte der regulären Semesterferienzeit. Diese nutze ich, um meine Familie zu besuchen und die herrliche elsässische Landschaft zu genießen, die ich so liebe.

Valentine Eutrope (19)

1. Ich studiere Wirtschaftswissenschaften und Deutsch an der Universität Nanterre und nehme dort am deutsch-französischen Doppelstudiengang der Deutsch-Französischen-Hochschule (DFH) teil. Die Verbindung von Deutschkenntnissen mit Wirtschaftswissen finde ich für meine berufliche Zukunft nützlich.

2. Ich habe den Eindruck, dass Studierende in Deutschland den Stoff auswendig lernen müssen, um ihn dann in einstündigen Klausuren wiederzugeben. In Frankreich dagegen sollen wir überlegen und zusammenhängende Texte verfassen. Die Klausuren dauern meist drei oder vier Stunden. Im Semester gibt es mehrere Zwischenprüfungen, die uns dazu bringen sollen, regelmäßig zu lernen. Außerdem gleichen sich die Noten aus, sodass man das Semester trotz einer sehr schlechten Note in der Abschlussklausur bestehen kann. Durch den Anspruch der Lehrenden und die vielen Hausaufgaben sind wir aber sehr gestresst.

3. Der Campus von Nanterre ist sehr schön, es gibt viel Freiflächen, Wiesen und Tiere. Das Leben in Paris ist allerdings ziemlich teuer. Dazu kommen Probleme mit den öffentlichen Verkehrsmitteln: Manchmal ist es wegen schlechter Anbindungen oder Verkehrszeiten schwierig, feiern zu gehen. Außerdem tragen die Unis selbst wenig zum Studentenleben bei. Auch die Studentenwohnheime sind nicht so toll wie in Deutschland.

4. Ich reise viel und absolviere Praktika. Arbeiten muss man nicht unbedingt, da die meisten Unis kaum Studiengebühren verlangen und viele staatliche Stipendien vergeben werden.

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